Die Zeit der Müllverbrennung geht langsam zu Ende

Wegen der Energiewende werden in den kommenden Jahrzehnten 60 von 70 deutschen Abfallverfeuerungsanlagen überflüssig

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Von Hannes Koch

30. Jan. 2014 –

Sie stehen in Bielefeld, Essen, Freiburg und an knapp 70 weiteren Orten in Deutschland – Müllverbrennungsanlagen (MVA). Doch ihre Zeit soll zu Ende gehen. Bis 2050 „ist damit zu rechnen, dass etwa 60 Anlagen stillgelegt werden“, sagte am Donnerstag Peter Kurth, der Präsident des Bundesverbandes der Entsorgungswirtschaft. Die Botschaft an die Betreiber, unter anderem Kommunen und private Firmen: Wegen der Energiewende werden MVAs überflüssig, das Recycling der Rohstoffe trete zunehmend in den Vordergrund.

 

Kurths Ansage zugrunde liegt die neue Studie des Öko-Instituts über den „Beitrag der Kreislaufwirtschaft zur Energiewende“. Die Ergebnisse werden die MVA-Betreiber nicht erfreuen, die ebenfalls Mitglieder im Entsorgungsverband sind. In den Vordergrund stellte Kurth die Perspektive des Recyclings und der entsprechenden Firmen.

 

Zwei Ursachen könnten in den kommenden Jahrzehnten zusammenwirken: Energiewende und Klimaschutz. Laut Planung der Bundesregierung kommen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts mindestens vier Fünftel des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen – meist Wind- und Sonnenkraftwerken. Deshalb braucht man weniger elektrische Energie aus anderen Anlagen - auch aus der Müllverbrennung, die Wärme in Elektrizität umwandelt. Die Rentabilität der Abfallkraftwerke könnte damit deutlich sinken. Außerdem schicken sie unter anderem klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre, welches bis Mitte des Jahrhunderts ebenfalls um 80 bis 90 Prozent reduziert werden soll.

 

Die Verbrennungskapazität der Anlagen beträgt heute rund 24 Millionen Tonnen jährlich. „2050 brauchen wir jedoch maximal fünf Millionen Tonnen“, sagte Kurth, der früher unter anderem als CDU-Finanzsenator in Berlin tätig war. Die Bundes- und Landespolitik mahnte er, „ein langfristiges Konzept zu entwickeln“. „Man darf die Kommunen und Betreiber, für die die Entwicklung ein Problem darstellt, nicht alleine lassen“. Was das heißt, ist unklar. Geld vom Staat? Günter Dehoust vom Öko-Institut sieht die Studie als Beginn einer Debatte.

 

Die Begleiterscheinungen für Wirtschaft und Bürger benennt Dehoust allerdings deutlich: mehr Mülltrennung und mehr Recycling. Beispielsweise müsse Bioabfall konsequent getrennt gesammelt werden – so wie es das Kreislaufwirtschaftsgesetz auch vorsehe. Eine besondere Herausforderung stellen die Kunststoffe dar, die zum guten Teil noch einfach verfeuert werden. Und Verbandschef Kurth fügte hinzu: „Die heutigen Bringsysteme für Elektrokleingeräte sind offensichtlich untauglich.“ Mobiltelefone, CD-Spieler, Energiesparlampen – diese Produkte sollen die Verbraucher in Geschäften oder auf Reyclinghöfen abliefern, was sie aber oft nicht tun.

 

Ein aktueller Nebenaspekt der Debatte: Der Entsorgungsverband beschwerte sich, dass Kunststoff-Recyclern die Begünstigung als stromintensive Branche im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gestrichen werden solle. Das kritisierte am Donnerstag auch die Duales-System-Unternehmensgruppe, die Verpackungsabfälle sammelt und verarbeitet.

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