Dieses Jahr schenken wir uns mal nichts

Kommentar zur Steuerschätzung von Hannes Koch

Teilen!

Von Hannes Koch

31. Okt. 2012 –

Den Griechen, Spaniern und Portugiesen die deutsche Finanzpolitik begreiflich zu machen, ist schwierig. Da fordert die Bundesregierung diese Ländern auf, hart zu sparen und ihre Lehrer quasi ohne Gehalt arbeiten zu lassen. Was aber tut sie selbst? Inmitten der europäischen Verschuldungskrise leisten Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble sich, Milliarden Euro neuer Kredite aufzunehmen. Und das, obwohl der aktuellen Steuerschätzung zufolge die deutschen Steuereinnahmen in den kommenden Jahren wohl weiter auf Rekordhöhen steigen.


Trotzdem wäre es falsch, den kompletten finanziellen Spielraum im Bundeshaushalt dafür zu verwenden, die Neuverschuldung zu reduzieren. Zwar könnte Schäuble, wenn er alles aus seinem Haushalt rausquetscht, auf Kredite wahrscheinlich schon 2013 oder 2014 ganz verzichten. Aber zu welchem Preis? Die notwendige Entlastung der Bürger durch das höhere steuerfreie Existenzminimum und den steigenden Grundfreibetrag müssten dann eins zu eins gegenfinanziert werden. Das heißt: Einsparungen an anderer Stelle. Dem würden beispielsweise Investitionen in Forschung und Bildung zum Opfer fallen. Das ist nicht sinnvoll in einer Situation, in der viele europäische Regierungen von Deutschland verlangen, Wirtschaft und Konjunktur des Kontinents mit höheren Ausgaben zu unterstützen. Die Bundesregierung hat eine Verantwortung dafür, dass Europa nicht weiter in die Rezession rutscht.


Aus heutiger Sicht ist es ab 2015 dann aber tatsächlich an der Zeit, ohne neue Kredite auszukommen. Mittelfristig und langfristig müssen sich Bundesregierung und auch die Bürger daran gewöhnen, im Prinzip nur das Geld auszugeben, das hereinkommt. Dann kann es nicht so weitergehen, wie seit 50 Jahren üblich: Geschenke zu verteilen an alle möglichen Interessengruppen bei gleichzeitigem Versprechen, die Steuern und Abgaben zu senken. Schon jetzt ist die Gelegenheit, diesen Mentalitätswechsel zu praktizieren. Die geplante Senkung der Rentenbeiträge sollte sich die Regierung verkneifen und das Geld besser als Polster ansparen für die nächste Krise, die auf jeden Fall kommt. Wäre ein schönes Motto für Weihnachten: Dieses Jahr schenken wir uns mal nichts.

« Zurück | Nachrichten »