Dispozinsen sind unverschämt hoch

Für normale Überziehung werden bis zu 15,32 Prozent Zinsen verlangt / Stiftung Warentest fordert gesetzliche Auflagen für die Banken

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Von Wolfgang Mulke

16. Okt. 2012 –

Die meisten Kunden von Banken, Sparkassen oder Genossenschaftsinstituten müssen für einen Überziehungskredit tief in die Tasche greifen. Bis zu 15,32 Prozent verlangen einzelnen Institute. Diesen Spitzenwert ermittelte die Stiftung Warentest bei der VR-Bank Aalen für Kunden mit schlechter Bonität. „Der Durchschnitt der von uns ermittelten Dispozinsen zum Stichtag 1. September liegt bei 11,76 Prozent“, berichtet Vorstand Hubertus Primus. Die Stiftung hält die Kredite für überteuert und verweist auf die Praxis in Nachbarländern. Danach bezahlen Bankkunden in Österreich nur durchschnittlich 5,52 Prozent, wenn sie mit dem Girokonto ins Minus geraten. In den Niederlanden liegt der Durchschnittssatz bei 6,69 Prozent.


Dabei sind die von den Verbraucherschützern ermittelten Werte wohl eher noch untertrieben, wie Primus durchblicken lässt. Denn gegenüber den Testern zeigten sich viele Institute äußerst zugeknöpft. „Bei unserer Untersuchung haben sich drei Viertel der knapp 1.600 Banken verweigert“, kritisiert Primus. In diesen Fällen haben die Prüfer nachgesetzt und sind in die Filialen vor Ort gegangen. Es zeigte sich, dass die Verweigerer tendenziell zu den teuren Banken gehören. In einigen Fällen gelangten die Tester gar nicht an die aktuellen Konditionen.


Die Stiftung fällt ein ungewohnt hartes Urteil über die gängige Praxis. „In einer Niedrigzinsphase sind zweistellige Zinssätze bei Dispositionskrediten unangemessen“, sagt Primus. Der Leitzins seien seit 2008 gesunken, ohne dass dieser Vorteil von den Banken an die Kunden weitergereicht worden ist. Dabei ist das Risiko von Zahlungsausfällen laut Stiftung sehr niedrig. Erhebliche Mängel sehen die Tester auch bei der Transparenz der Angebote. Fast alle Banken haben einen Internetauftritt oder bieten das Online-Banking an. Doch auf nicht einmal die Hälfte der Webseiten wird auch der Preisaushang veröffentlicht. Besonders negativ sind dabei im Test die Volks- und Raiffeisenbanken aufgefallen.


Der Unterschied bei den Dispokosten ist auch in Euro und Cent gerechnet enorm. Wer ein Jahr lang mit 2.000 Euro in den Miesen steckt, zahlt bei einem Zinssatz von 14,25 Prozent bei einer teuren Bank 285 Euro dafür. Bei einem günstigen Institut wie der Deutschen Skatbank, die nur 5,25 Prozent berechnet, kostet eine Überziehung in gleicher Höhe nur 105 Euro. Die Warentester fordern daher eine gesetzliche Pflicht zur Veröffentlichung der Konditionen im Internet. Denn laut Primus ist es vor allem die fehlende Transparenz bei den Kosten für den Dispo, die für anhaltend teure Kredite sorgt. Der letzte Test der Stiftung hat gezeigt, dass Offenheit seine Wirkung nicht verfehlt. Die teuren Banken haben seither ihre Zinsen um bis zu 4,55 Prozent gesenkt.


Auch eine Koppelung de Dispozinses an den Referenzzins der Europäischen Zentralbank (EZB) hält Primus für „fair und richtig“. Um eine solche Pflicht streiten Bundesregierung und Opposition sowie Verbraucherschützer schon seit Monaten. Verbraucherministerin Ilse Aigner lehnt eine Zwangsbegrenzung der Zinshöhe ab, weil ein Gutachten ihres Hauses sich wenig Vorgaben verspricht. Denn bei einer Deckelung würden sich die Institute tendenziell alle an die Höchstgrenze bewegen, was Verbraucher eher schaden als nutzen würde. Bei einem Gespräch mit den Banken sagte die Branche Aigner immerhin mehr Transparenz zu. Die Grünen fordern dagegen einen Zinsdeckel. Baden-Württemberg ist allerdings mit einer Bundesratsinitiative dazu gerade erst gescheitert.


Kasten:

Mit 42 Milliarden Euro standen die Deutschen im Juni bei ihrer Bank mit dem Dispo in der Kreide. Dafür berechnen die 1.566 Banken mit Girokonten sehr unterschiedliche Zinssätze. Am besten schnitt bei der jüngsten Untersuchung der Stiftung Warentest die VR-Bank Uckermark Randow ab, die von den Kunden 4,5 Prozent Zins verlangt, gefolgt von der Deutschen Skatbank mit 5,25 Prozent und der PSD Bank RheinNeckarSaar mit 5,99 Prozent. Am teuersten ist die Raiffeisenbank Fischenich-Kendenich mich 14,25 Prozent, die Targobank (beim Extra- und Classic-Konto) mit 14,23 Prozent sowie die Volksbank Stendal mit 13,99 Prozent. Bei einer schlechten Bonität des Kunden verlangen die VR-Bank Aalen mit 15,32 Prozent und die Sparkasse Elbe-Elster mit 14,75 Prozent noch mehr. Bei zusätzlich geduldeten Überziehungen werden noch einige Prozentpunkte mehr berechnet.








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