Drei Mal Haareschneiden gegen einen Autoreifen

Die griechische Krise, und wie sie weitergehen könnte

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Von Hannes Koch

29. Jun. 2015 –

Dass ein Euro-Mitglied zahlungsunfähig wird, kam bisher nicht vor. Deshalb ist unklar, was nun folgt. Auf viele Fragen gibt es nur vorläufige Antworten.

 

Wann ist Griechenland pleite, und wer stellt die Pleite fest?

Bis Mittwochmorgen mitteleuropäischer Zeit muss Athen rund 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington zurückzahlen. Die Regierung verzeichnet jedoch ein Defizit im Staatshaushalt. Ihr fehlt Geld, um die Ausgaben zu decken. Aus dieser Patsche wollen ihr die übrigen Euro-Länder nun auch nicht mehr heraushelfen. Deshalb zahlt die Regierung den IWF-Kredit möglicherweise nicht zurück. Damit wäre Griechenland offensichtlich zahlungsunfähig. Eine offizielle Definition dieses Zustandes, die für Griechenland anwendbar wäre, existiert jedoch nicht. Bankrott ist das Land aber keineswegs. Der Staat verfügt ja weiterhin über hohe Vermögen und nimmt Milliarden Euro Steuern ein.

 

Es heißt, die griechischen Banken hingen nur noch am Tropf der Europäischen Zentralbank. Was bedeutet das genau?

Weil sich die griechischen BürgerInnen große Sorgen machen, haben sie inzwischen Milliarden Euro von ihren Bankkonten abgehoben. Das bringt die Geldinstitute in die schwierige Lage, dass ihre Mittel knapp werden. Deswegen hilft nun die Europäische Zentralbank (EZB), indem sie den griechischen Banken Notkredite von rund 90 Milliarden Euro gewährt. „Regeln, wie lange und in welcher Höhe die EZB das tun darf, gibt es nicht“, sagt Henning Vöpel Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts.

Klar aber ist, dass die Zentralbank damit ihrer wichtigsten Aufgabe nachkommt. Diese besteht einfach darin, Zahlungsmittel im Euroraum bereitzustellen und den Geldverkehr zu gewährleisten. Denn noch ist Griechenland ja Euro-Mitglied. Deswegen überschreitet die EZB gegenwärtig ihre Kompetenzen nicht. Je länger dieser Zustand aber dauert, desto eher werden Kritiker behaupten, die Zentralbank finanziere eigentlich nicht die Geschäftsbanken, sondern verhindere auch den Staatsbankrott. Über solche Klagen werden künftig vielleicht wieder das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof entscheiden.

 

Warum sind jetzt in die Banken geschlossen und Auslandsüberweisungen nur noch eingeschränkt möglich?

Die Banken bleiben für eine Woche geschlossen, damit die erboste Bevölkerung sie nicht stürmt. Danach hat sich der erste Zorn gelegt, hofft die Regierung. An den Geldautomaten gibt es nur noch 60 Euro pro Abhebung, damit die Griechen nicht ihre Konten räumen und zusätzliche Milliarden Euro nach Hause oder ins Ausland schaffen. Ähnliches gilt für grenzüberschreitende Banküberweisungen: Die meisten sind nun schlicht verboten, Ausnahmen müssen genehmigt werden. Mit diesen Maßnahmen wollen griechische Regierung und Nationalbank erreichen, dass die inländischen Geschäftsbanken vorläufig nicht zusammenbrechen und wenigstens der Geldverkehr im Inland weiterläuft.

 

Was könnte auf die Zahlungsunfähigkeit folgen?

Wenn dieser Zustand Monate dauert, könnte sich die soziale Krise drastisch verschärfen. Die Regierung bezahlt ihre Angestellten nicht oder nur anteilig. Unternehmen können nicht importieren, weil ihre ausländischen Geschäftspartner nicht glauben, dass jene die Rechnung bezahlen. Die Bürger haben weniger Geld zur Verfügung und kaufen weniger ein. Die Arbeitslosigkeit steigt. Wenn die Geldinstitute länger geschlossen bleiben, mag sich eine Situation entwickeln wie beim Bankencrash in Argentinien vor 14 Jahren. Dort gingen die Menschen zur Tauschwirtschaft über: drei Mal Haare schneiden gegen einen Autoreifen.

Weil die Europäische Union solche Zustände in einem Mitgliedsland nicht lange erträgt, kommt es vermutlich doch noch zu einer Verhandlungslösung. Die Gläubiger sind dann bereit, auf einen Teil der griechischen Schulden zu verzichten und gewähren wieder Kredite. Die Regierung in Athen stimmt einem Sparprogramm zu.

 

Wann ist Athen gezwungen, die alte Währung wieder einzuführen?

Wenn die Regierung wegen ihres Haushaltsdefizits über Wochen oder Monate die Staatsangestellten nicht bezahlen kann, und die griechischen Geschäftsbanken zu wenige Euro-Mittel haben, steigt der Druck eine Parallelwährung einzuführen. Das könnte wieder die alte Drachme sein. Spätestens dann müsste das Land die Euro-Gemeinschaft wohl verlassen.

 

Was passiert, wenn sich die Krise über Griechenland hinaus ausbreitet?

Investoren, zum Beispiel internationale Banken, könnten denken, dass andere Euroländer wie Portugal und Spanien ebenfalls auf wackeligen Beinen stehen. Die Geldgeber verlangen dann höhere Zinsen, wenn sie diesen Staaten Geld leihen. Damit steigen die Kosten für die Staatshaushalte. Dadurch könnten diese wieder in die roten Zahlen rutschen. Dann müssen möglicherweise die anderen Eurostaaten auch dorthin Hilfskredite zahlen. Die Bundesregierung sagt zwar, auf eine solche Situation seien wir inzwischen besser vorbereitet. Mal sehen.

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