Durch die Hintertür

Die Gemeinschaftshaftung für den Euro kann doch noch kommen

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Von Wolfgang Mulke

11. Jun. 2012 –

An der aus dem Kanzleramt dringenden Tonlage hat sich vordergründig nichts geändert. Unter den gegebenen Umständen werde es keine Gemeinschaftshaftung für die Euroländer geben, betont Regierungssprecher Steffen Seibert. Doch die kategorische Ablehnung Deutschland für Euro-Bonds schwindet. Das sind Staatsanleihen, also Schulden, von Euro-Staaten, für die alle anderen Ländern der Währungsgemeinschaft mithaften. Es ist keine Frage des Prinzips mehr, sondern der Umstände.


In Brüssel bereiten derzeit vier wichtige Politiker einen Vorschlag für die weitere Entwicklung des Euroraumes vor. Das sind der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, EU-Ratspräsident Herman Rompuy, Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker und Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank. Anfang Juli sollen ihre Vorschläge für die Zukunft des Euroraums vorliegen. Jetzt werden erste Ideen bekannt, die aus der bisher losen Gemeinschaft zum Teil in einen Staatenbund münden lassen würden. Dabei erhielte die EU weitgehende Eingriffsrechte in die Finanzpolitik der Euroländer. Alle Staaten müssten dafür Kompetenzen abgeben, auch Deutschland. Genau dies hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in der letzten Woche bereits gefordert.


Womöglich ändert dieser Schritt, wenn er denn getan wird, auch die Umstände so, dass die Kanzlerin sich nicht mehr gegen eine Gemeinschaftshaftung für die Euroländer sperren würde. Denn die Vorschläge der vier Politiker laufen auf eine Finanzunion hinaus. Die Idee ist vergleichsweise einfach. Kein Staat darf mehr ausgeben, als er selbst durch seine Einnahmen bezahlen kann. Reicht das Geld nicht aus, meldet er seinen Bedarf bei einem Gremium der EU an. Dort wird beraten, ob das Ansinnen gerechtfertigt ist. Sollte dies der Fall sein, gibt das Gremium Euro-Bonds aus, deren Erlöse an das betreffende Land weitergeleitet werden. Zumindest für künftige Schulden würden damit alle Euro-Länder haften.


Der Vorteil dieser Lösung wären niedrige Zinsen für krisengeplagte Länder sowie eine europäische Kontrolle jedweder Politik auf Pump. Auch würde der europäische Einigungsprozess zumindest in der Währungszone ein großes Stück vorangebracht. Der Vorgang wäre so bedeutsam, dass die meisten Länder ihre Verfassung ändern müssten. Auch Deutschland bräuchte dann ein neues Grundgesetz, weil so wichtige finanzielle Kompetenzen nach heutigem Recht nicht einfach abgegeben werden dürfen. Von den ersten Ideen der vier Vordenker bis hin zum Einstieg in eine politische Union im Euroraum werden deshalb wohl eher Jahre als Monate vergehen. Denn am Ende stellt sich auch die Frage, wie eine europäische Finanzregierung demokratisch gerechtfertigt werden kann. Irgendwie müssen die Wähler in Europa auf sie Einfluss nehmen können, zum Beispiel durch eine Direktwahl der Kommission oder ihres Chefs.








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