E-Auto-Umstieg rechnet sich

Studie ermittelt bis zu 30 Prozent mehr Gewinn für deutsche Hersteller

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Von Björn Hartmann

29. Nov. 2022 –

Politisch ist klar: Die EU setzt auf Elektroautos. Und auch die Industrie hat sich mehr oder weniger darauf eingestellt, sich bis 2035 im Großen und Ganzen vom Benziner oder Dieselfahrzeug zu trennen, um den Klimawandel zu bremsen. Nur das Tempo ist sehr unterschiedlich. Erstmals zeigt jetzt eine Studie, wie sehr es sich für die Hersteller rechnet, möglichst zügig komplett auf E-Autos zu setzen. Bis zu 30 Prozent mehr Gewinn sind drin. Wer eher zögert, verliert Geld.

„Rein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist eine schnelle Transformation für Hersteller der richtige Weg“, sagte Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende, einer Denkfabrik und Lobbyorganisation. Oder wie es Kristian Kuhlmann, Partner beim Beratungshaus BCG formuliert: „Wir zeigen, dass man viel Geld verdienen kann, wenn der Umstieg schnell geht.“ Dass die Wende kommt, um den Klimawandel zu bremsen, halten beide für unstrittig. Die Denkfabrik und das Beratungshaus haben die Studie gemeinsam erstellt.

In der deutschen Autoindustrie waren bei Herstellern und Zulieferern 2021 insgesamt rund 786.000 Mitarbeiter beschäftigt. Sie ist mit 411 Milliarden Euro Umsatz die wichtigste Branche der deutschen Wirtschaft noch vor Maschinenbau und der Chemieindustrie. Und sie ist sehr exportstark. Gleichzeitig trägt Verkehr zur Erderwärmung bei. Allein in Deutschland waren es 2021 rund 19,1 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes, Platz 2 nach der Industrie mit 23,8 Prozent. Hier gibt es großes Sparpotenzial, das dem Klima zugute kommt.

Der Wandel hin zu E-Autos kostet Geld. Die Branche muss in neue Technologie investieren, die Werke umbauen, eventuell eigene Batteriefabriken aufbauen. Und die Zulieferer müssen sich wandeln. Zudem lässt sich mit Diesel- und Benzinfahrzeugen derzeit sehr gut Geld verdienen. Mercedes etwa weist für die ersten neun Monaten einen Gewinn von 5,3 Milliarden Euro aus, ein Plus von 71 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Erzielt vor allem mit großen schweren Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Sollte die Industrie also nicht lieber so lange wie möglich die guten Gewinne mitnehmen und langsam vom Verbrenner auf die E-Motoren umsteigen? Die Studie zeigt jetzt, dass sich in jedem Fall lohnt, voll und sehr zügig auf Elektromobilität zu setzen.

BCG und Agora Verkehrswende gehen davon aus, dass sich die Zahl der verkauften Fahrzeuge weltweit von 78 Millionen in diesem Jahr auf 103 Millionen 2035 erhöhen wird. Der Anteil der reinen E-Autos wird dann von zehn auf 60 Prozent steigen. Für Europa liegt der Anteil reiner E-Neuwagen 2035 der Studie zufolge bei 91 Prozent der rund 20 Millionen verkauften Autos – eine Folge des Verbrennerausstiegs der EU. Die Staatengemeinschaft wird so zur treibenden Kraft der Wende. Für China geht die Studie von 67 Prozent E-Neuwagen aus, für die USA von 68 Prozent.

Neben dieser aktuellen Prognose hat die Studie zwei weitere Szenarien betrachtet: beschleunigte E-Mobilität, weil Länder zum Beispiel E-Autos besonders fördern; und gebremste E-Mobilität, weil etwa die Ladeinfrastruktur fehlt oder Rohstoffe.

Die Studienautoren schauten sich dann für die drei Szenarien an, wie sich die Gewinne der Unternehmen von 2022 bis 2040 entwickeln, wenn sie sich so verhalten, wie bisher geplant; wenn sie sich zurückhaltend bei E-Autos geben (ab 2035 werden mehr E-Autos als solche mit Verbrenner gefertigt) oder den Umstieg aktiv vorantreiben (Mehr E- als Verbrennerfahrzeuge ab 2025).

Das Ergebnis: Sollte die aktuelle Prognose Bestand haben, können deutsche Premium-Autobauer (etwa Audi, BMW oder Mercedes) mit ambitionierter E-Strategie bis zu 15 Prozent mehr Gewinn machen. Sollten die Länder auf einen beschleunigten Wandel setzen, wären sogar 30 Prozent drin. Massenhersteller (zum Beispiel Ford, Opel, VW) können fünf oder zehn Prozent mehr Geld verdienen. Für alle Hersteller gilt: Wer sich Zeit lässt beim Umstieg, verdient in fast allen Szenarien bis zu 15 Prozent weniger.

Ein Blick nach China zeigt: Die Hersteller dort verlieren kräftig, wenn sie nicht versuchen bei E-Mobilität künftig weit vorn dabei zu sein. Der Wettbewerb dürfte also schärfer werden.

Die deutschen und europäischen Autobauer müssen also Tempo vorlegen, die Politik aber auch, damit das Umfeld stimmt. Um den Wandel zu beschleunigen, schlägt Agora-Verkehrswende-Chef Hochfeld für Deutschland vor, die Kfz-Steuer für Verbrenner zu erhöhen, um mit den Mehreinnahmen E-Autos zu subventionieren. Bei Dienstwagen sollte ein günstigerer Abschreibungssatz nur für reine E-Autos gelten, Verbrenner teurer werden. Und er empfiehlt eine gesetzliche E-Auto-Quote für Firmen, die große Fahrzeugflotten haben. Grundsätzlich sollte nach Ansicht der Studienautoren das Ladenetz ausgebaut werden.

Hinter Agora Energiewende stehen die private Mercator Stiftung aus Essen, hinter der die Gründerfamilie des Handelskonzerns Metro steht,  und der European Climate Foundation in Den Haag, die von zahlreichen Stiftungen getragen werden. Beide setzen sich für Klimaschutz ein.

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