Effektivität statt Abenteuer

Billig von einer Ecke Deutschlands in die andere kommen? Mitfahrgelegenheiten: Renaissance einer alten Idee

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Von Hannes Koch

15. Aug. 2013 –

In mancher Hinsicht gibt es tatsächlich Fortschritt. So wird die Fortbewegung einfacher, bequemer und flexibler – ein Beispiel ist die Renaissance der Dienste, die die gemeinsame Autonutzung zwischen Fahrern und Mitfahrern vermitteln. Was früher oft ein Abenteuer war, ist mittlerweile ein verlässliches Reisegeschäft, koordiniert über das Internet.

 

Erlebnisse wie diese gab es früher häufiger: Der Fahrer des Wagens, in den man kürzlich einstiegen ist, fährt auf der Autobahn 160 Stundenkilometer mit viel zu geringem Abstand zum Vordermann. Gleichzeitig versucht er, mit einer Hand das Radio zu reparieren. Nach der trotzdem gesunden Ankunft schickt man erst einmal ein Dankesgebet gen Himmel.

 

Wer will, kann solche Situationen beim modernen Mitfahren weitgehend vermeiden. Der Grund: Fahrer und Mitfahrer bewerten sich gegenseitig auf der Internetseite des jeweiligen Anbieters, so dass alle potenziellen Kunden diese Einschätzungen lesen können. Wer beispielsweise einen rüpelhaften Fahrstil pflegt, wird wenige Mitfahrer finden.

 

Moderne Mitfahrzentralen funktionieren grundsätzlich so: Auf der Internetseite eines Anbieters gibt man Start und Ziel der gewünschten Fahrt ein. Es lassen sich sowohl freie Plätze in Autos suchen, als auch anbieten. Die Seite stellt den Kontakt zwischen Fahrern und Mitfahrern her, wickelt die Zahlung des Fahrpreises ab und präsentiert die Bewertungen. Autobesitzer und Passagiere vereinbaren selbst, wo sie sich treffen.

 

Die Kostenbeteiligung ist in der Regel frei verhandelbar, doch geben die Seiten meist eine Orientierung für einen fairen Preis. Für die Strecke von Berlin nach Stuttgart kann dieser beispielsweise bei 35 Euro liegen, Freiburg – Frankfurt am Main kostet etwa 16 Euro. Zum Vergleich: Im ersten Fall schlägt das Busticket in der Regel mit mehr als 40 Euro zu Buche, bei der zweiten Fahrt mit etwa 18 Euro. Die Bahn ist viel teurer, selbst mit Ermäßigungen wie der Bahncard 50.

 

Wer als Mitfahrer einen Platz im Auto bucht, hat damit gute Aussichten die günstigste Reisevariante zu wählen. Und Besitzer eines Fahrzeuges können einen Teil der Fahrtkosten wieder hereinholen, indem sie Plätze vermieten. Teilnehmer sollten sich aber genau informieren, wie es mit den Vermittlungsgebühren aussieht. Manche Anbieter werben mit Kostenfreiheit für die Mitfahrer, in einigen Fällen müssen aber die Fahrer Gebühren zahlen.

 

Neben dem Preis liegt der Vorteil dieser Art des Reisens in der Gelegenheit, andere Menschen näher kennenzulernen. Auf mehrstündigen, gemeinsamen Fahrten können sich erstaunliche Einblicke auftun. Vielleicht stellt man aber auch fest, dieser oder jener Person nicht noch einmal begegnen zu wollen. Umweltschützer betonen die positive ökologische Wirkung: „Wenn die Autos schon fahren, ist es besser, sie stärker auszulasten“, sagt Anja Smetanin vom Verkehrsclub Deutschland.

 

Ein wichtiger Nachteil ist dagegen sicher die Gefahr, an einem der bekannten Autobahnkreuze stundenlang im Stau zu stehen. Aber das kann im Bus ebenfalls passieren. Die Bahn hält, wie man weiß, ihre eigenen Verzögerungen bereit. Über die Versicherung beim Mitfahren muss man sich übrigens keine Sorgen machen. Die normale Haftpflicht, die für jeden Pkw in Deutschland abgeschlossen werden muss, gilt auch für Mitfahrgelegenheiten.

 

Manche der Vermittlungsdienste bieten mittlerweile zusätzlichen Service. Nicht nur Mitfahrten im Auto werden koordiniert, sondern auch Bus-, Bahn- und Flugtickets als Alternative oder Ergänzung angeboten.

 

Info-Kasten

Einige Anbieter

 

mitfahrgelegenheit.de

Die Firma mit Sitz in München hat nach eigenen Angaben rund fünf Millionen Mitglieder und bietet ständig mehrere hunderttausend Plätze an.

 

Blablacar.de

Die Firma aus Hamburg verzeichnet drei Millionen Mitglieder in zehn Ländern. Für ihre Bewertungen wird auch die Gesprächsfreudigkeit der Reisenden abgefragt.

 

Bessermitfahren.de

Die Seite ist erst im April an den Start gegangen. Die Macher aus Berlin erheben den Anspruch, nicht kommerziell, sondern gemeinnützig zu arbeiten.

 

Weitere Anbieter sind

fahrgemeinschaft.de, flinc.org, drive2day.de

 

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