Ein deutsches Armutszeugnis

Kommentar zum Armuts- und Reichtumsbericht von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

18. Sep. 2012 –

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen gibt sich große Mühe, der sozialen Entwicklung in Deutschland etwas Positives abzugewinnen. Im neuen Bericht über Armut und Reichtum schildern ihre Mitarbeiter, dass mehr Menschen arbeiten und die Zahl der Hartz-IV-Empfänger sinkt. Ja, es gibt Fortschritt. Und nicht jede Hiobsbotschaft, die die Auflösung der Mittelschicht verkündet, trifft zu. Trotzdem ist der offizielle Befund über die soziale Lage in Deutschland erschreckend.

Die Hälfte der Bevölkerung hat kaum noch Anteil am Vermögen diesen Landes. Zudem sinkt ihr Einkommen. Wohlhabende und Reiche profitieren dagegen überproportional. Sie bestimmen über den großen Teil der sagenhaften zehntausend Milliarden Euro, die Privatleute in Deutschland mittlerweile angehäuft haben.

Deutschland steht zwar noch nicht auf einer Ebene mit Nicaragua oder Mexiko. Im Vergleich zu den meisten anderen Länder dieser Erde herrscht bei uns eine halbwegs ausgewogene Verteilung von Einkommen und Vermögen. Doch steht zunehmend ein großes Versprechen der sozialen Marktwirtschaft in Frage. Es lautet: Wer arbeitet, kann aufsteigen und teilhaben.

Stattdessen machen viele Menschen heute die ernüchternde Erfahrung, dass ihre Anstrengungen nichts nützen. Egal, wie sie sich abstrampeln: Ihre Löhne stagnieren oder sinken. Dies aber ist kein individuelles Problem. Die Ursache liegt in fragwürdigen ökonomischen Entscheidungen der Bundesregierungen. Seit dem Jahr 2000 sinkt die Lohnquote, der Anteil der Beschäftigtem am Volkseinkommen. Bundesregierungen und Wirtschaftselite waren sich einig, dass Arbeit in Deutschland zu teuer ist, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können.

So richtig dieser Befund damals teilweise gewesen sein mag, so sehr wurde die daraus entwickelte Politik überzogen. Minijobs, Leiharbeit, Niedriglohn und Reallohneinbußen auf breiter Front gefährden nicht nur den sozialen Frieden, sondern befeuern mittelbar auch die globalen Finanzkrisen. Woher stammen die Kapitalgewinne, die in Spekulationsgeschäfte fließen? Auch aus Geld, das nicht als Lohn ausgezahlt wurde. Diese Entwicklung muss rückgängig gemacht werden, die Löhne sollten wieder stärker steigen.

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