Ein Huhn für 5.000 Liter Suppe
Interview
19. Apr. 2013 –
Ab dem kommenden Montag gilt europaweit eine Positivliste für Aromastoffe, die bei der Lebensmittelproduktion verwendet werden können. Damit ist aber nach Ansicht von Armin Valet von der Hamburger Verbraucherzentrale für die Kunden kein Nutzen verbunden. Der 47-jährige Lebensmittelchemiker entlarvt immer wieder Mogeleien der Lebensmittelindustrie.
Frage: Mit Aromastoffen können minderwertige Lebensmittel in Gourmetware verwandelt werden. Werden Kunden durch die Verwendung nicht grundsätzlich hinters Licht geführt?
Armin Valet: Es besteht die Gefahr, dass Verbrauchern minderwertige Produkte untergejubelt werden, weil eine Qualität vorgegaukelt wird, die gar nicht vorhanden ist. Der Kunde liest zwar „Huhn“ auf der Verpackung der Fertigsuppe, doch drinnen ist praktisch keines. Wir haben bei einer Untersuchung gerade einmal einen Anteil von 0,18 Prozent Huhn in einem Fertigprodukt gefunden. Nach dieser Rezeptur ließen sich aus einem Suppenhuhn 5.000 Liter Suppe (oder 20.000 Portionen) herstellen. Damit das überhaupt schmeckt, hilft die Industrie kräftig mit Geschmacksverstärkern und Aromen nach..
Frage: Lässt sich die Verwendung der Geschmacksaufpepper leicht erkennen und wird die Positivliste der EU für mehr Durchblick sorgen?
Valet: Nein, in der Liste werden nur 2.600 chemische Begriffe aufgeführt , die gar nicht auf dem Etikett der Lebensmittelverpackung stehen. Die Kennzeichnung der Aromen ist prinzipiell wenig transparent: Natürliche Aromen müssen beispielsweise nur aus natürlichen Rohstoffen stammen, aber nicht von den Früchten, die etwa auf einem Fruchtjoghurt abgebildet sind. Für Konsumenten noch verwirrender ist der Begriff Erdbeeraroma auf der Zutatenliste. Er bedeutet nicht, dass das Aroma aus Erdbeeren gewonnen wird, sondern nur, dass es nach Erdbeere schmeckt. Lediglich die Bezeichnung natürliches Erdbeeraroma zeigt an, dass das Aroma fast ausschließlich aus Erdbeeren gewonnen wurde. Diese Aromen werden nur selten von der Industrie verwendet.
Frage: Wie sollten Aromastoffe angezeigt werden, damit der Durchschnittsverbraucher auch erkennen kann, was tatsächlich drin ist?
Valet: Auf der Vorderseite der Verpackung muss auf einen Blick erkennbar sein, dass ein Produkt aromatisiert ist. Auch ist die Zusammensetzung von Aromen derzeit ein Buch mit sieben Siegeln. Wir fordern, dass die verwendeten Zusatzstoffe oder Lösungsmittel genannt werden. Für die Industrie lohnt sich der Etikettenschwindel enorm. Wir haben einmal ausgerechnet, dass Himbeeraroma für 100 Kilogramm Joghurt sechs Cent kostet, Früchte für dieselbe Menge aber 30 Euro.
Frage: Von welchen Produkten sollten Verbraucher nach einem Blick auf die Zutatenliste die Finger lassen, wenn sie naturbelassene Nahrungsmittel kaufen wollen?
Valet: Gesundheitsgefährdend sind Aromen nicht. Es gibt aber andere Gefahren. Kinder werden schnell an den industriellen Einheitsgeschmack gewöhnt und Konsumenten essen gerne mehr, wenn es so intensiv schmeckt. Auch werden wertvolle Inhaltsstoffe durch Aromen verdrängt. Die Nahrung ist also nicht so gut wie natürliche. Wer Produkte haben will, die ohne diese Zusätze auskommen, kann sich auf unserer Internetseite eine Positivliste dazu anschauen.