Ein neuer Versuch zur Regulierung der Märkte

Aufgeschreckt durch die Griechenland-Krise, will die Regierung Rating-Agenturen und Finanzinvestoren weitere Zügel anlegen. Schäuble: „Gut, dass mehr Druck entsteht“. Gemeinsame Entschließung des Bundestages zur Regulierung war am Mittwoch aber fraglich

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Von Hannes Koch

05. Mai. 2010 –

„Alle Märkte, alle Akteure, alle Produkte“ sollten der politischen Regulierung unterstellt werden. Das beschlossen die Regierungen der mächtigsten Wirtschaftsnationen (G20-Gruppe) nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank 2009. Heute, anlässlich der Griechenland-Krise, stellen Bundesregierung und Bundestag parteiübergreifend fest: Viel zu wenig ist wirklich geschehen, um den Finanzmärkten Zaum anzulegen.


Deswegen plant nun die Bundesregierung einen neuen Versuch der Regulierung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte gegenüber dieser Zeitung: „Es ist gut, dass durch die Debatte über Griechenland wieder mehr Druck in Richtung der Regulierung der Finanzmärkte entsteht.“ Er sprach sich unter anderem dafür aus, „den übertriebenen Einfluss der Rating-Agenturen zurückzudrängen“.


Die drei großen Agenturen Standard&Poor´s, Moody´s und Fitch haben eine enorme Macht, weil sie die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten bewerten. Als Standard&Poor´s in der vergangenen Woche die Bonität Griechenlands und Portugals herabstufte, beschleunigte das die Verschuldungskrise und löste heftige Kritik aus.


Deshalb überlegen die Bundesregierung und die Koalitionsparteien nun, wie sich der Spielraum der Agenturen begrenzen lässt. „Wir wollen eine unabhängige europäische Rating-Agentur ins Leben rufen - eventuell in Kooperation zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor“, sagte Finanzminister Schäuble am Mittwoch. Diese neue Agentur könnte ein Gegengewicht zu den drei marktbeherrschenden Firmen schaffen.


Zweitens will Schäuble „überprüfen, ob und inwieweit die Bewertungen durch die Agenturen künftig im selben Umfang wie bisher eine Grundlage für Finanzgeschäfte sein müssen“. Heute sind beispielsweise Versicherung gehalten, nur solche Wertpapiere zu kaufen, denen die Agenturen ein positives Rating gegeben haben. Eine gesetzliche Lockerung an dieser Stelle würde die Macht der Agenturen einschränken. Und drittens regt die Unionsfraktion an, den „Rating-Agenturen vorübergehend die Marktzulassung zu entziehen“, wenn ihre Bewertungen nachweislich falsch waren.


Wohlgemerkt: Bei diesen Forderungen handelt es sich um Ideen, die Umsetzung liegt in weiter Ferne. Die neue EU-Verordnung zur staatlichen Registrierung der Rating-Agenturen, der der Bundestag diese Woche zustimmen wird, ändert an der Macht der Bewertungsfirmen kaum etwas. Auch mit der neuen Registrierung durch die Finanzaufsicht kann Standard&Poor´s weiter seine umstrittenen Bewertungen der Kreditwürdigkeit von Staaten abgeben.


Ob sich die Regierungskoalition mit SPD und Grünen auf eine gemeinsame Position zur strengeren Regulierung der Finanzmärkte einigen kann, stand am Mittwoch in den Sternen. Ein Konsens über den interfraktionellen Entschließungsantrag, der parallel zu den Griechenland-Krediten debattiert wurde, scheiterte vor allem an der Forderung von SPD und Grünen nach einer neuen Finanzmarktsteuer. Union und FDP lehnen dieses Instrument ab und bevorzugen eine niedrigere Bankenabgabe.


Die Chancen der Regulierung

Rating-Agenturen:

Alle Parteien wollen die Bewertungsfirmen härter an die Kandarre nehmen. Bisher sind das aber alles nur Ankündigungen.


Finanzmarktsteuer:

SPD, Grüne und Linke sind dafür, die Regierung dagegen. Die Realisierung ist unwahrscheinlich.


Wirtschaftsregierung:

Die SPD strebt eine einheitliche europäische Wirtschaftsregierung an. Der Union geht das zu weit. Chance: unwahrscheinlich.


Insolvenzrecht für Staaten:

Unter anderem Finanzminister Schäuble will Regeln für die kontrolliierte Insolvenz überschuldeter Staaten. Das wird kommen.


Verbot von Leerverkäufen:

Gefährliche „Leerverkäufe“ mit Wertpapieren, die Investoren gar nicht besitzen, will die Bundesregierung verbieten. Aussichten: Wird wohl realisiert.

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