Eine Erfolgsgeschichte mit zu viel Erfolg

Die Internationale Energieagentur lobt und kritisiert die deutsche Energiewende

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Von Hannes Koch

24. Mai. 2013 –

Ein paar ernste Worte hat die Internationale Energieagentur an die Adresse der deutschen Wirtschaftsverbände geschrieben. In ihrem neuen Bericht über die Energiepolitik in Deutschland rät die Agentur, dass sich die Profiteure der Energiewende stärker an deren Kosten beteiligen müssten. Zu den Gewinnern zählt die IEA auch große industrielle Stromverbraucher in Deutschland.


Die Agentur nimmt damit eine andere Position ein als etwa der Verband der Chemischen Industrie (VCI). Wie ähnliche Wirtschaftsverbände kritisiert der VCI die vermeintlich zu hohen Kosten der Energiewende. Die Internationale Energieagentur, ein Ableger der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) in Paris, bewertet die Energiepolitik ihrer Mitglieder alle fünf Jahre.


IEA-Direktorin Maria van der Hoeven wies am Freitag in Berlin daraufhin, dass die Industrie unter anderem von den günstigen Preisen an der Strombörse profitiere. „Die Großenergieverbraucher kommen auch in den Genuss niedriger Stromtarife, die eine Folge der Expansion der erneuerbaren Energien sind“, heißt es im Bericht der Agentur. Etwa ein Viertel der deutschen Elektrizität stammt mittlerweile aus Wind- und Solarkraftwerken – das zusätzliche Angebot drückt die Preise.


Außerdem hat die Industrie laut Van der Hoeven Vorteile, weil auch die Preise für Kohlendioxid-Zertifikate niedrig liegen – eine Folge des politisch gesteuerten Überangebots der Verschmutzungsrechte und der wirtschaftlichen Flaute in Europa. Industrieunternehmen müssen solche Zertifikate nachweisen, wenn sie klimaschädliches CO2 ausstoßen.


Vor diesem Hintergrund riet die Energieexpertin, dass die deutsche Industrie einen größeren Beitrag zur Finanzierung der Energiewende leisten solle. Ein Weg dazu: eine höhere Belastung der Wirtschaft mit der Umlage, die die Ökokraftwerke finanziert.


Die Produzenten des Ökostroms sieht die Agentur ebenfalls in der Pflicht. Bundesregierung und Bundestag sollten darüber nachdenken, auch sie stärker an den Kosten der Energiewende zu beteiligen. Schließlich verbuchten die Betreiber der Ökokraftwerke schöne Gewinne.


Insgesamt lobt die Agentur die Energiewende. Während die Pariser Experten bei ihrem vergangenen Bericht 2007 einen Verzicht auf die Atomkraft noch für unrealistisch hielten, sehen sie die deutsche Energiepolitik nun grundsätzlich auf dem richtigen Weg. Das Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energie bezeichnete Van der Hoeven als „Erfolgsgeschichte“. Allerdings sei das EEG „zu erfolgreich“, fügte die Agentur-Direktorin hinzu. Sollte heißen: Der Ausbau der Ökokraftwerke gehe zu schnell, das Stromnetz sei dem oft nicht gewachsen, und die schnell steigenden Kosten würden einseitig den Privathaushalten und vielen kleineren Firmen aufgebürdet.


Deshalb plädiert die Energieagentur für eine Reform des EEG. Sie stellte die heute übliche feste Vergütung für jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde Ökostrom in Frage. Ein Alternativmodell präsentierten die Experten jedoch nicht. Sie empfahlen nur, den Ausbau zu verlangsamen, die Kosten fairer zu verteilen und die Fördermechanismen näher am Markt zu orientieren.

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