Elektro-Räder überholen die E-Autos

Boom bei Elektrofahrrädern. Fortschritt bei Elektroautos dagegen langsamer als erhofft

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Von Hannes Koch

20. Jun. 2012 –

Was ist das denn? Mit lockerem Tritt und überlegenem Lächeln zieht der radfahrende Senior bergauf am schwitzenden Mountainbiker vorbei. Doping für Freizeit-Pedalisten jenseits der 60? Nein, der Fahrradfreund im fortgeschrittenen Alter fährt ein Rad mit Elektromotor. Diese Zweiräder mit Strom-Unterstützung erfreuen sich großer Beliebtheit.

Über 300.000 wurden im vergangenen Jahr verkauft – rund acht Prozent der insgesamt vier Millionen Räder, die in Deutschland neu auf die Straßen kamen. Von einem solchen Boom können die Autokonzerne nur träumen. Elektroautos haben noch viele Probleme, nur wenige teure Modelle werden angeboten, kaum jemand erwirbt sie. Deshalb muss nun auch die Bundesregierung einsehen, dass ihr Ziel kaum erreichbar ist, bis 2020 eine Million Elektroautos in den Alltagsverkehr rollen zu lassen.

Die Hersteller von Elektrorädern haben mittlerweile beträchtliche Marktanteile unter anderem deshalb erreicht, weil ihre Preise vergleichsweise konkurrenzfähig sind. Vernünftige E-Bikes gibt es ab ungefähr 1.500 Euro. So viel Geld gibt mancher Rad-Fan auch für sein Zweit-Mountainbike oder das schicke Rennrad aus, mit dem er sich einmal monatlich die Mittelgebirgsgipfel hinaufquält, um die Speckrollen abzuschmelzen.

„Der Preisunterschied im Vergleich zum normalen Fahrrad fällt nicht so sehr ins Gewicht“, sagt Stephan Schreyer vom Zweirad-Industrieverband. Bei Elektroautos ist das anders. Sie stehen im Ruf, deutlich teuerer zu sein als vergleichbare Benzin-Fahrzeuge. Außerdem sind beim Auto gleich viel größere Summen im Spiel. Wer ein E-Auto erwerben will, zahlt nicht selten 10.000 Euro mehr als für einen konventionellen Wagen.

Hinzu kommt die Praxistauglichkeit der E-Bikes. Die Reichweite des Akkus beträgt bei normaler Fahrweise und Belastung etwa bei 30 bis 60 Kilometer. Die wenigsten Radfahrer wollen weitere Strecken zurücklegen. Anders beim Auto: Dort hat man den Anspruch, mit einer Tankfüllung 600 Kilometer zu überwinden. Die Elektroakkus reichen aber nur für Strecken von beispielsweise 150 Kilometern. Danach muss man sie stundenlang aufladen.

Diese Gesichtspunkte mögen eine Rolle dafür spielen, warum bis heute nur wenige tausend vollelektrische Autos auf deutschen Straßen unterwegs sind. Und der Fortschritt geht wahrscheinlich auch nicht so schnell, wie es die Bundesregierung gerne hätte. Als die „Nationale Plattform Elektromobilität“ am Mittwoch ihren dritten Bericht vorlegte, war der frühere Optimismus teilweise verflogen. Bis 2020 rechnet man nun nicht mehr mit einer Million E-Wagen, sondern gut der Hälfte.

Die Automobilhersteller kämpfen unter anderem mit den Schwierigkeiten der Batterietechnik. Die Kraftpakete, die man heute in Pkw installieren kann, sind teuer und noch nicht leistungsstark genug. Fachleute rechnen mit dem entscheidenden technischen Sprung erst in etwa zehn Jahren.

Die Frage ist nun, ob staatliche Subventionen den Prozess beschleunigen können. Darüber gibt es unter den Plattform-Experten unterschiedliche Ansichten. Industrievertreter weisen daraufhin, dass E-Auto-Käufer in den USA und Japan bis zu 9.500 Euro als Zuschuss erhalten. Die am Gremium beteiligten Umweltverbände sprechen sich gegen Subventionen aus und plädieren für schärfere Abgasgrenzwerte, um den Anteil von sauberen Strom-Wagen zu erhöhen.

Einstweilen werden wohl erst einmal so genannte Hybrid-Fahrzeuge gewisse Marktanteile gewinnen, die Benzin- und Elektroantrieb kombinieren. Abzuwarten bleibt auch die nächste Innovation im Zweirad-Segment. Elektromotorräder gibt es bislang kaum. Demnächst allerdings sollen die ersten E-Roller auf den Markt kommen.

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E-Bikes
Bei den sogenannten Pedelecs liefert der kleine Elektromotor Unterstützung, wenn das Rad gleichzeitig per Pedal vorwärts bewegt wird. Die elektrisch angetriebene Geschwindigkeit ist auf 25 Stundenkilometer begrenzt. Angeboten werden allerdings auch Modelle, die bis zu 45 Kilometer schnell sind. Für diese braucht man ein Versicherungsnummernschild. Selbst die langsame Variante wirft jedoch schon gewisse Sicherheitsprobleme auf. Ungeübte Radfahrer sind mit Elektroantrieb mitunter schneller, als ihr Fahrvermögen erlaubt. Die Stiftung Warentest hat außerdem mehrere E-Bike-Modelle gefunden, die zu schwache Rahmen und Bremsen hatten.

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