Eltern können klagen

Viele Kommunen können im August nicht genügend Kitaplätze bereit stellen / Schadenersatz ist möglich

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Von Wolfgang Mulke

15. Jan. 2013 –

Noch hat das höchste deutsche Gericht nicht über Schadenersatzansprüche von Familien bei fehlenden Kitaplätzen geurteilt. Doch die ersten Instanzen weisen den Weg. Da haben Verwaltungsgerichte einer Familie 2.200 Euro zugesprochen, weil die Stadt den in Rheinland Pfalz bestehenden Anspruch auf einen Betreuungsplatz nicht erfüllen konnte und sie das Kind deshalb in einer privaten Einrichtung unterbringen mussten. Das Bundesverwaltungsgericht wird im Jahresverlauf entscheiden, ob das Urteil Bestand hat und damit wegweisend ist.


Doch davon gehen mittlerweile auch die kommunalen Spitzenverbände aus. „Natürlich wird es Klagen geben“, räumt der Chef des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, ein. Von einer bundesweiten Welle gehen die Verbände aber nicht aus. Am 1. August schlägt die Stunde der Wahrheit. Dann tritt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für über 1-jährige Kinder in Kraft. Städte und Gemeinden haben die Zahl der Plätze zwar auf 560.000 mehr als verdoppelt. Wie viele benötigt werden könne aber erst in den nächsten Monaten gesagt werden, wenn die Anmeldungen der Eltern vorliegen. Bei der letzten Schätzung vor fast einem Jahr fehlten noch 220.000.


Eltern können sich jetzt schon für die Lücke wappnen. Eine Voraussetzung für mögliche Ansprüche ist die rechtzeitige Anmeldung der Kinder. Wenigstens drei Monate vor dem geplanten Besuch der Betreuungseinrichtung muss sie vorliegen. So viel Zeit muss den Kommunen nach Rechtsgutachten der Verbände Zeit für die Einrichtung gegeben werden. Auch können nicht alle Kosten für eine anderweitige Unterbringung der Kleinsten geltend gemacht werden. Gegengerechnet werden beispielsweise die Gebühren, die beim Besuch einer öffentlichen Kita erhoben werden. Auch das neue Betreuungsgeld werde angerechnet, sagt Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte und Gemeindebundes.


Es gibt noch weitere Voraussetzungen und Einschränkungen für die Eltern. Der Rechtsanspruch ist auch dann erfüllt, wenn die Gemeinde statt eines Kitaplatzes ein Tagespflegeangebot unterbreitet. Beide Formen der Betreuung werden als gleichwertig angesehen. Auch längere Wege zu einer Betreuungseinrichtung müssen in Kauf genommen werden. Außerdem muss der Bedarf an einem Betreuungsplatz unaufschiebbar sein. Schadenersatz könnte fällig werden, wenn die Eltern beispielsweise Lohn- oder Gehaltseinbußen haben, weil sie zu Hause bleiben müssen und eine neue Stelle nicht antreten können. Grundsätzlich gilt nach Einschätzung der Verbände auch eine Pflicht für die Eltern, eventuelle Schäden möglichst gering zu halten. Eine private Luxuskita würde vor Gericht womöglich nicht als zwingende Alternativlösung anerkannt.


Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist zunächst einfach. Zunächst wird ein Widerspruch gegen den Bescheid der Behörde eingelegt. Die Fristen dafür sind auf den Bescheiden vermerkt. Bleibt dieser erfolglos, können die Eltern Klage erheben. Dafür reichen sie, oder ihr Anwalt, eine Klageschrift bei Gericht ein, aus der die Streitfrage hervorgeht. Und sie stellen den Antrag, ihren Forderungen nachzukommen. In einer mündlichen Verhandlung befasst sich das Gericht dann mit der Klage. Ein Rechtsanwalt muss erst ab der zweiten Instanz verbindlich hinzugezogen werden. Die Kosten für das Verfahren richten sich nach dem Streitwert und dem Umfang des Verfahrens. Im günstigsten Fall, wenn es um einen Streitwert von 1.500 Euro geht und es zu keinem Urteil, sondern einem Vergleich kommt, werden 65 Euro fällig.

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