Ende einer Ära

Das Geldvermögen wächst. Die Zukunft ist düster

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Von Björn Hartmann

13. Okt. 2022 –

Vorweg die gute Nachricht: Die Geldvermögen der Menschen sind auch im vergangenen Jahr gewachsen – das dritte Plus in Folge von mehr als zehn Prozent. Insgesamt haben sie 233 Billionen Euro zurückgelegt, wie die Allianz für ihren Global Wealth Report ermittelt hat, ein Rekordwert. Allerdings sind die Superreichen wieder etwas reicher geworden, die Ärmsten etwas ärmer. Und für die nächsten Jahre sieht es eher düster aus.

Wie schon 2019 und 2020 haben die Menschen 2021 mehr zurückgelegt, wie Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz, sagte. In den vergangenen drei Jahren seien atemberaubende 60 Billionen Euro Geldvermögen hinzugekommen, sagte Arne Holzhausen, Leiter Insurance & Wealth Markets, das entspreche zweimal der Euro-Zone. Er sprach von Exzesssparen. Die Menschen hätten angesichts der Corona-Pandemie aus Angst Geld zurückgelegt – und vielleicht auch, weil sie weniger konsumiert haben und Geld übrig war. Gleichzeitig profitierten sie von den boomenden Aktienmärkten, befeuert von billigem Geld der Zentralbanken. Während das Plus weltweit 10,4 Prozent betrug, waren es in Deutschland 8,5 Prozent.

Untersucht wird im Report nicht das Einkommen der Menschen, sondern ihr Geldvermögen. Dazu zählen Bargeld und Bankeinlagen wie Tagesgeld oder Girokonten, Versicherungen wie Lebensversicherungen und Finanzanlagen, etwa Sparpläne oder Aktien. Immobilienbesitz wird ebenfalls nicht erfasst.

Am meisten zurückgelegt haben dem Report zufolge Amerikaner und Schweizer. Das durchschnittliche Nettogeldvermögen – Anlagen minus Schulden – betrug 2021 pro Kopf umgerechnet 259.780 Euro. Die Schweizer hatten 237.110 Euro zurückgelegt. Mit großem Abstand folgt Dänemark, wo das Vermögen pro Kopf 183.610 Euro beträgt. Deutschland liegt auf Rang 18 mit 69.290 Euro. In den vergangenen zehn Jahren haben die USA und die Schweiz die Plätze getauscht, die Dänen stiegen von Rang 17 auf. Deutschland konnte einen Platz gut machen. Das durchschnittliche Nettovermögen betrug rund 32.000 Euro.

Was der Report auch zeigt: Die, die ohnehin sehr viel haben, die Elon Musks (Tesla), Jeff Bezos‘ (Amazon) oder Bernard Arnault (Luxusgüterkonzern LVMH) sind wieder etwas reicher geworden. Das reichste Prozent der Menschen besaß im vergangenen Jahr demnach 42,9 Prozent der Geldvermögen, nach 41,9 Prozent zehn Jahre zuvor. Allerdings mussten die etwas weniger Reichen Verluste hinnehmen. Den zehn Prozent der Menschen mit sehr großem Vermögen gehörten nur noch 86,3 Prozent des Geldvermögens, 2021 waren es 91,7 Prozent. Die Ärmsten zehn Prozent rutschten in den vergangenen zehn Jahren tiefer in die Schulden.

Überhaupt die Schulden: Gleichzeitig mit den Vermögen stiegen sie zuletzt auch wieder. Insgesamt legten sie um 7,6 Prozent auf 52 Billionen Euro zu. Das Plus liegt deutlich über dem langjährigen Durchschnittszuwachs von 4,6 Prozent. Vor allem in den Schwellenländern haben die Haushalte mehr Schulden aufgenommen, besonders in China. Staaten, deren Wirtschaft auf dem Weg zur Industrienation ist, haben inzwischen einen Anteil von 27,6 Prozent der globalen Schulden, doppelt so viel wie 2020. Die Allianz warnt hier vor einer Schuldenkrise. US-Haushalte stehen für 31 Prozent aller Schulden, nach 41 Prozent ein Jahr zuvor.

Der Global Wealth Report für 2021 ist mit „Ein letztes Hurra“ betitelt. Es wird also schlechter. Chefvolkswirt Subran sagte: „2021 bedeutet das Ende einer Ära.“ Ende des Post-Corona-Aufschwungs, steigende Zinsen, hohe Inflation, mehr Unsicherheit: Für 2022 rechnet die Allianz mit weltweit schrumpfenden Vermögen. Das Minus beziffert Holzhausen mit mindestens zwei Prozent, eher mehr. Das mag gering aussehen, allerdings berücksichtigt der Wert nicht die Inflationsrate. Holzhausen erwartet eine Teuerung weltweit von durchschnittlich acht Prozent, was bedeutet, dass die Kaufkraft der Geldanlagen um mehr als zehn Prozent sinken wird. „Das bedeutet ein Zehntel Vermögensverlust“, sagte Holzhausen, „das ist noch nie so dagewesen.“

Erst von 2024 dürften die Vermögen den Allianz-Experten zufolge wieder zulegen, wobei die Inflation hoch bleiben wird – anders als in den vergangenen Jahren, wo sie mit Werten um ein Prozent sehr niedrig war.

Von den rund acht Milliarden Menschen auf der Welt erfasst der Report nur 4,6 Milliarden. „In vielen Ländern gibt es keine verlässlichen Statistiken“, sagte Holzhausen. Deshalb sind weite Teile Afrikas nicht erfasst. Und auch wenn sich der Zugang zu Finanzprodukten weltweit in den vergangenen Jahren verbessert hat, gehen die Experten davon aus, dass ein Drittel der Weltbevölkerung überhaupt kein nennenswertes Geldvermögen hat.

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