Engpässe im Überfluss

Warum Winterware plötzlich rar wird

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Von Wolfgang Mulke

08. Jan. 2010 –

In den Auslagen der Modehäuser ist der Frühling schon ausgebrochen. Das Angebot ist für die derzeitigen Tiefsttemperaturen nicht gerade geeignet. Auf der Suche nach einem warmen Pullover geht mancher Kunde daher leer aus oder muss sich mit Strickzeug in weniger attraktiven Farben und Schnitten begnügen. Das ist ein seltener Zustand in einer Überflussgesellschaft: Mitten in der kältesten Zeit werden Winterartikel zur Mangelware.

 

Eine Erklärung für die Engpässe bei Textilien, Schlitten und anderen Produkten für die kalte Zeit hat die Sprecherin des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandelns (HDE) parat. „Die Saison ist eigentlich zu Ende“, sagt Ulrike Hörchens und räumt ein, dass einzelne Waren bereits ausverkauft sind. Besserung ist nicht in Sicht, auch wenn der Winter noch viele Wochen dauern sollte. Denn zumindest die Textilhändler bestellen keine Jacken oder Pullover mehr nach, weil diese nicht mehr rechtzeitig aus den Fertigungsstätten in Fernost in deutsche Geschäfte gebracht werden könnten. „Die Ware wäre im Frühling noch auf dem Schiff“, sagt der Sprecher des Outdoor-Ausrüsters Globetrotter, Jens Kreklau. „Das bekommen sie nicht in vier Wochen geliefert“, winkt auch C&A-Sprecher Thorsten Rolfes ab.

 

Versorgungsengpässe passen eigentlich nicht ins Bild einer funktionierenden Marktwirtschaft. Davon sind eher planwirtschaftliche Systeme betroffen. Doch liegt der Fall hier etwas anders. Während sozialistische Volkswirtschaften aus Mangel zu wenig produzieren, verzichten die Privatunternehmen aus Angst vor zu vielen unverkäuflichen Restposten auf ein gutes Saisongeschäft. Die meisten Handelshäuser schätzen den Bedarf anhand ihrer Erfahrungswerte und Annahmen lange vor Beginn der kühlen Jahreszeit möglichst genau ab. „Wir haben ein verderbliches Produkt“, verteidigt C&A die Vorsicht. Was heute nicht verkauft wird, ist beim schnellen Modewechsel morgen schon ein Ladenhüter. Andere Unternehmen wie die schwedische Kette H&M können aufgrund ihrer Direktbestellungen bei den Herstellern das Sortiment zwar schneller wechseln. Doch gegen plötzlichen Dauerfrost hilft das auch nicht.

 

Für alle Wetterlagen ausreichend Lagerbestände können die Händler aus finanziellen und logistischen Gründen nicht mehr vorhalten. Kleinere Geschäfte in der Innenstadt haben beispielsweise keine Flächen, um Waren vorsichtshalber zu stapeln. Die großen Filialisten sorgen für einen möglichst schnellen Austausch des Sortiments. Deshalb beginnt die Rabattschlacht bei Winterartikeln bereits vor Weihnachten. Spätestens Ende Januar sollen die letzten Handschuh und Wollmützen aus dem Geschäft verschwinden. Einerseits benötigen die Firmen die Verkaufserlöse, damit sie die Frühjahrskollektionen finanzieren können, andererseits sind die leichten Textilien schon auf dem Weg nach Deutschland und müssen nach ihrer Ankunft irgendwo untergebracht werden. Wer friert, hat also schlechte Karten.

 

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