Entweder kaum Rente oder hohe Beiträge

Eine gerechte Reform wird schwierig

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Von Wolfgang Mulke

05. Okt. 2016 –

Ohne eine weitreichende Reform werden die Renten künftig deutlich sinken oder die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung drastisch steigen. Das geht aus einer vorläufigen Prognose des Bundessozialministeriums hervor, die erstmals den Zeitraum zwischen 2030 und 2045 betrachtet.

 

Bleibt alles beim derzeit geltenden Recht, sinkt das Rentenniveau bis zum Ende dieser Periode von heute noch 47,8 Prozent des letzten Nettolohnes auf nur noch 41,6 Prozent. Der Beitragssatz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer würde sich dann von derzeit 18,7 Prozent auf 23,4 Prozent des Bruttolohnes erhöhen. Bei einem Gehalt von 2.000 Euro wären die je 47 Euro mehr im Monat.

 

Das Ministerium hat zur Vorbereitung einer Rententagung in der kommenden Woche auch durchgerechnet, wie sich die Finanzen bei einer Beibehaltung des heutigen Rentenniveaus entwickeln würden. In diesem Fall ist von einem massiven Anstieg des Beitragssatzes für die arbeitende Generation auszugehen. Die heute geltende Begrenzung auf 22 Prozent des Lohnes würde schon in zwölf Jahren gerissen. In den beiden folgenden Jahrzehnte erhöhte sich die Abgabe dann auf 26,4 Prozent. Bei 2.000 Euro Monatsgehalt kämen auf Betriebe und Beschäftigte je 77 Euro Mehrausgaben im Monat zu. Pro Jahr müssten Versicherte und Steuerzahler zusammengenommen 40 Milliarden Euro mehr aufbringen.

 

Bis Ende November will Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) ein umfassendes Reformkonzept vorlegen. In ihrem Ministerium wird die Festlegung von „Haltelinien“ überlegt. Das könnte auf eine Untergrenze bei der Absenkung des Rentenniveaus und eine Obergrenze beim Beitragssatz hinauslaufen. Nahles will mit einer Kombination aus privater und betrieblicher Vorsorge und der gesetzlichen Versicherung ein von allen Generationen akzeptiertes Altersvorsorgesystem konzipieren. Konkrete Vorstellungen will die Ministerin derzeit aber noch nicht preisgeben.

 

Nur bei der betrieblichen Altersvorsorge (BAV) zeichnet sich der Weg nach einer Einigung über eine bessere Förderung innerhalb der großen Koalition bereits ab. Danach werden Arbeitgeber von der Haftung für eventuelle Rentenzusagen freigestellt, damit sich auch kleinere Unternehmen daran beteiligen. Auch könnte es für Geringverdiener einen Zuschlag geben, wenn sie über den Betrieb privat vorsorgen.

 

Zwei Gruppen von Beschäftigten bereiten den Fachleuten im Ministerium besonders große Sorgen. So stellte sich bei einer Befragung von 10.000 Beschäftigten heraus, dass von den Geringverdienern mit einem Monatsbruttolohn von weniger als 1.500 Euro gerade einmal jeder zweite privat vorsorgen kann. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen entspricht dies einer Zahl von 1,9 Millionen , denen aufgrund fehlender Zusatzeinkünfte im Alter Armut droht. Auch bei den Selbständigen sieht es für viele schlecht aus. Ehemals Selbständige sind heute schon doppelt so häufig auf Grundsicherung im Alter angewiesen wie frühere Arbeitnehmer.

 

Dagegen geht es der heutigen Rentnergeneration noch gut. Das geht aus einer Befragung von 30.000 Seniorenhaushalten hervor, die das Sozialministerium für den Altersicherungsbericht der Bundesregierung vorgenommen hat. Danach kommen Ehepaare im Rentenalter auf ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 2.543 Euro. Alleinstehende Männer verfügen im Durchschnitt über 1.614 Euro, alleinstehende Frauen über 1.420 Euro. Auf die Grundsicherung sind nur drei Prozent der Rentner angewiesen. Die höchsten Einkommen mit oft mehr als 4.000 Euro netto haben die Rentnerhaushalte, die weniger als 250 Euro gesetzliche Rente erhalten. Darin finden sich beispielsweise Beamte oder erfolgreiche Selbständige wieder, die in ihrem Erwerbsleben nur kurze Zeit angestellt waren.

 

 

 

 

 

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