Ernüchternde Steuerschätzung

Einnahmen steigen weniger stark als erhofft. FDP will trotzdem Steuersenkungen

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Von Hannes Koch

03. Nov. 2009 –

Wenn es um die Umsetzung ihres Zieles der Steuersenkung geht, ist der FDP der Zustand der Staatsfinanzen ziemlich egal. In dieser Hinsicht traf Wirtschaftsminister Rainer Brüderle am Dienstag eine interessante Aussage. Die durch die Wirtschaftskrise sinkenden Steuereinnahmen dürften kein Argument gegen Steuererleichterungen und damit wachsende Haushaltslöcher sein, so Brüderle. „Im Gegenteil: Wenn die Kassenlage so schlecht ist, müssen sie etwas tun, müssen sie füllen“.


Des Wirtschaftsministers Hoffnung: Niedrigere Steuern führen zu mehr Wirtschaftswachstum und zur langfristigen Sanierung der Staatsfinanzen. Optimistisch reagierte Brüderle damit auf die zurückhaltenden Zahlen, die aus dem Arbeitskreis Steuerschätzung nach außen drangen. Die Experten tagen bis Donnerstag in Hamburg, um die Einnahmen der öffentlichen Hand für die kommenden Jahre zu prognostizieren.


Die Botschaft der Steuerschätzer kommt der neuen Regierung ungelegen. Stellt sie doch eine wesentliche Annahme in Frage, die Union und FDP während ihrer Koalitionsverhandlungen getroffen haben, um die Möglichkeit einer Steuersenkung begründen. Die Steuereinnahmen im kommenden Jahr steigen vermutlich weniger schnell, als die Koalition hofft – der finanzielle Spielraum könnte damit deutlicher kleiner ausfallen.


Gegenüber der pessimistischen Steuerschätzung vom vergangenen Mai rechnet die Regierung mit zusätzlichen rund fünf Milliarden Euro, die sie pro Jahr mehr verteilen könnte. In seiner Vorlage für die Steuerschätzung geht das Bundesfinanzministerium laut der Presseagentur dpa dagegen nur von einem minimalen Zuwachs der Einnahmen von 1,5 Milliarden in 2010 aus. Dem stehen schon Steuersenkungen von rund sieben Milliarden Euro gegenüber, die die Koalition als Sofortprogramm plant. Ein zusätzlicher Spielraum ist nicht erkennbar. Das kann sich in den kommenden Jahren ändern, zur Zeit allerdings sind die Zeichen schlecht.


Die Dramatik der Haushaltslage wird erst in vollem Umfang deutlich, wenn man die Ansätze der aktuellen Schätzung mit den Einnahmen des Jahres 2008 vergleicht. Damals verbuchten Bund, Länder und Gemeinden rund 561 Milliarden Euro. In diesem Jahr werden es dagegen etwa 527 Milliarden sein, 2010 wahrscheinlich nur noch 510 Milliarden Euro – ein Rückgang um 51 Milliarden innerhalb von zwei Jahren. Jeder Einnahmeausfall durch Steuererleichtungen vergrößert dieses Defizit.


So sieht auch die Lage der Bundesländer und der Gemeinden, die sich die Steuereinahmen mit dem Bund teilen, nicht gut aus. Die Länder müssen 2010 im Vergleich zu 2008 auf rund 20 Milliarden verzichten, die Gemeinden auf etwa zehn Milliarden.


Die von der EU prognostizierte Wirtschaftserholung in den nächsten beiden Jahren dürfte daran nicht viel ändern. Trotz höheren Wachstums rechnen die Experten mit Haushaltsdefiziten des deutschen Staates von etwa fünf Prozent in 2010 und 2011. Das macht jeweils rund 120 Milliarden Euro Miese für Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen – ohne die Einnahmeausfälle einer großen Steuerreform mit Stufentarif, die die FDP gerne hätte.

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