"Erst mit Druck wird sich etwas ändern"

Interview

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

10. Mai. 2013 –

Dr. Antje von Dewitz leitet das Familienunternehmen Vaude Sport im schwäbischen Tettnang, das sie 2009 von ihrem Vater übernommen hat. Die 40-jährige Unternehmerin ist Mutter von vier Kindern. Sie legt besonderen Wert auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen und eine ökologisch nachhaltige Produktion der Outdoor-Sportausrüstungen.



Frau von Dewitz, wie wichtig sind Frauen und Mütter in Spitzenpositionen als Vorbilder?

Von Dewitz: Ich finde es wichtig, dass in jedem größeren Unternehmen eine Vielfalt von Lebensentwürfen anzutreffen ist. Das macht es jungen Leuten leichter sich mit einem Entwurf zu identifizieren. Mir selbst hat diese Vielfalt ‚leider gefehlt. Ich bin in einem Dorf in Oberschwaben groß geworden und kannte keine Frauen in Führungspositionen, schon gar nicht mit Kindern. Deshalb war so eine Karriere für mich schwer vorstellbar.

Auf welche Widerstände sind Sie gestoßen?

Von Dewitz: Ich bin mit dem Klischee im Kopf aufgewachsen: Wenn du arbeitest, obwohl Du Kinder hast, bist Du eine Rabenmutter. Für mich war dieses Vorurteil paradoxerweise produktiv. Ich wollte beweisen, dass Karriere nicht auf Kosten des Familienlebens gehen muss. Das war ein wichtiger und ständig präsenter Antrieb.


Ist das Schwabenland mittlerweile fortschrittlicher geworden?
Auf jeden Fall scheint mir die Vielfalt der Lebensentwürfe größer geworden zu sein: Ich kenne Frauen, die gerne daheim bleiben, Frauen mit Kindern und Karriere, Familien, in denen sich beide Partner die Aufgaben teilen und sogar ein paar einzelne Hausmänner. Diese scheinen mir jedoch immer noch die große Ausnahme zu sein.


Wie wichtig ist eine Partnerschaft, in der beide an einem Strang ziehen?

Dewitz: Sehr wichtig: Beide Partner müssen mitziehen. Zuerst war ich quasi alleinerziehend, weil mein Partner noch in einer anderen Stadt studierte.Danach haben wir viele verschiedene Modelle gelebt: Mal habe ich Teilzeit gearbeitet, mal er, mal wir beide. Man muss auf Augenhöhe immer wieder neu die beste Lösung für alle finden. Wenn einer zu Hause bleiben kann und will, ist das ein Luxus, den man nicht immer erwarten darf.

Viele Bürger fordern von der Politik, Frauen den beruflichen Aufstieg erleichtern. Aber ist es nicht Aufgabe der Unternehmen, Frauen Karrieren zu ermöglichen?

Von Dewitz: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Als Unternehmerin möchte ich natürlich die besten Männer und Frauen als Mitarbeiter gewinnen. Daher ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Frauen erleichtern, Karriere zu machen. Als Bürgerin und politisch denkender Mensch sehe ich jedoch auch die Politik in der Pflicht, für Chancengleichheit zu sorgen, denn diese ist momentan nicht gegeben. Die absolute Mehrheit von Unternehmen wird von Männern geführt, ebenso Universitäten oder andere Einrichtungen. Da muss die Politik über eine Quotenregelung eingreifen. Zwar wird irgendwann der demographische Wandel für ein Handeln der Unternehmen sorgen, aber bis dahin wird sich nur mit Druck etwas bewegen.

Was könnte eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bewirken?

Von Dewitz: Die ist essenziell. Wir haben in unserem Unternehmen 2001 eine Kita gegründet, in der wir Kinder der Beschäftigten bis zu einem Alter von zehn Jahren betreuen. Zwei Reaktionen darauf sind charakteristisch. Eine Angestellte sagte, hättet ihr das früher gemacht, hätte ich auch Kinder bekommen. Eine andere sagte zu mir, nachdem ich mein drittes Kind bekommen habe: ‚Wenn du das kannst, kann ich das auch.’ Familienfreundliche Strukturen ermöglichen Lebensentwürfe mit Karriere und schaffen Vorbilder.

Warum sind andere Unternehmen diesbezüglich so zurückhaltend?


Viele Unternehmen haben sich das Kinderhaus angeschaut. Eigene, ähnliche Maßnahmen wurden daraufhin nur in den seltensten Fällen umgesetzt. Als Gründe dafür wurden meist der hohe Aufwand und Kosten, die fehlende Kompetenz in diesem Bereich oder auch nicht vorhandene Nachfrage genannt. Letzteres ist ein klassisches Phänomen. Wenn man eine Umfrage im eigenen Unternehmen macht, wer eine Betreuungseinrichtung nutzen würde, sind die Antworten sehr verhalten. Das war bei uns nicht anders, dennoch sind beide Betreuungsgruppen von Anfang an voll besetzt gewesen.

Viele Frauen mit schlechter bezahlten Tätigkeiten kritisieren, dass die gut verdienenden Frauen leicht reden haben, weil sie sich locker eine gute Betreuung und Ausstattung ihrer Kinder leisten können. Ist dieser Vorwurf nicht berechtigt, zum Beispiel mit Blick auf die Alleinerziehenden?


Wenn das Gehalt nur knapp über oder sogar unter den Betreuungskosten liegt, sind die Möglichkeiten der Lebensgestaltung viel kleiner. Aus volkswirtschaftlicher Sicht würde es sich meiner Meinung nach lohnen, die Kinderbetreuung für schlechter verdienende Frauen und Familien kostenfrei anzubieten. Jeder eingesetzte Euro zahlt sich durch steigenden Einkommenssteuern, Aufbau von eigener Rentenversorgung etc. wieder zurück.

« Zurück | Nachrichten »