Erster Schritt zu stabilen Finanzen

Kabinett beschließt Begrenzung der Arzneimittelausgaben / Kassen fordern Nullrunde für Ärzte und Krankenhäuser

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

29. Jun. 2010 –

Die Bundesregierung will die Arzneimittelausgaben deutlich begrenzen. Der dazu nötige Gesetzentwurf wurde nun vom Bundeskabinett beschlossen. Damit wird auch die Pharmaindustrie an der Stabilisierung des von einem Milliardendefizit bedrohten Gesundheitssystems beteiligt. Im kommenden Jahr will der Bund bei Medikamenten 1,7 Milliarden Euro sparen, in den folgenden Jahren bereits je zwei Milliarden Euro. Mit rund 32 Milliarden Euro sind die Ausgaben der Kassen für Pillen und Salben einer der dicksten Ausgabenposten in der Krankenversicherung.

 

Die Leistungen für die Patienten sollen sich trotz der geringeren Ausgaben nicht verschlechtern. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will die Gewinnmargen der Hersteller und Großhändler verringern. Wichtigster Punkt ist eine Beschränkung der Preise für neue Arzneien, die meist besonders teuer sind. Bisher kann die Industrie die Preise dafür selbst festlegen. Künftig müssen die Unternehmen erst einmal nachweisen, dass ihr Produkt auch einen Nutzen bringt. Dann bleibt die Preisgestaltung nur noch ein Jahr lang den Herstellern überlassen. Innerhalb dieser Zeitspanne soll das jeweilige Unternehmen mit den Krankenkassen dann einen fairen Preis für das Präparat aushandeln. Gelingt dies nicht, entscheidet eine Schiedsstelle über die angemessene Bezahlung.

 

Auch der Pharmagroßhandel wird in die Pflicht genommen. Die Margen in dessen Abgabepreise werden gesenkt und gedeckelt. Dies allein veranschlagt die Regierung auf eine Entlastung um rund 400 Millionen Euro.

 

Die Kassen begrüßen das Gesetz. „Wir freuen uns, dass die Regierung das Problem aufgegriffen hat“, sagte der Vize-Chef des Spitzenverbands der Krankenkassen (GKV-SV), Johann Magnus von Stackelberg. Der Entwurf weise in die richtige Richtung, könne aber noch deutlich verschärft werden.

 

Der Verband sieht im Entwurf noch einige Schwächen. Danach ist nicht ausgeschlossen, dass die Hersteller zunächst viel höhere Preise ansetzen, um sich in den anschließenden Verhandlungen dann auf den eigentlichen gewünschten Ertrag herunter handeln zu lassen. Auch bei der Bewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses sieht Stackelberg Verbesserungsbedarf. Der Verband hält die dafür vorgesehene Zeitspanne für zu lang. Die Kassen sind zwar bereit, für echt verbesserte Medikamente mehr zu zahlen. Doch verändern die Konzerne oft nur vorhandene Präparate leicht und geben dies dann als Innovation ohne Preisbindung aus.

 

Das Gesetz ist nur ein erster Schritt. Derzeit verhandeln die Koalitionsparteien weitere Sparmaßnahmen. Denn im kommenden Jahr droht den Kassen ein Defizit von rund elf Milliarden Euro. Auf Details haben sich Union und FDP noch nicht einigen können. GKV-SV-Chefin Doris Pfeiffer fordert eine Nullrunde für Ärzte und Krankenhäuser sowie die Kassen selbst. Pfeiffer drückt zudem auf das Tempo. Wenn die Koalition nicht schnell handele, drohe weiteren Kassen die Schließung oder Insolvenz.

 

« Zurück | Nachrichten »