Erzieherin, obwohl Ingenieurin möglich wäre

Union und SPD wollen „gleiche Lohn bei gleicher Arbeit“ auch für Frauen durchsetzen. Transparenz könnte das Tabu berühren, dass Bezahlung Privatsache ist

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Von Hannes Koch

11. Nov. 2013 –

Die rechtliche Lage ist eindeutig: Frauen und Männer sollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten. Praktisch aber verstoßen Arbeitgeber nicht selten gegen diesen Grundsatz – und Mitarbeiterinnen lassen sich das gefallen. Dies wollen Union und SPD nun mit verbindlichen Regeln ändern. Dabei könnte die künftige Regierung aber auch das Tabu berühren, dass deutsche Beschäftigte nur sehr ungerne mit Kollegen über ihre Bezahlung sprechen.

 

In ihren Verhandlungen über die Grundlagen der neuen Bundesregierung haben Union und SPD Ende der vergangenen Woche unter anderem beschlossen, dass die Tarifpartner verpflichtet werden, Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern abbzubauen. Größere Unternehmen und der öffentliche Dienst sollen ihren Mitarbeitern bald anonymisierte Entgeltberichte zur Verfügung stellen. Das würde den Beschäftigten ermöglichen, ihre individuelle Einstufung zu überprüfen und zu korrigieren. Die Koalitionsunterhändler planen, einen Anspruch auf solche Angaben gesetzlich zu regeln.

 

„Detaillierte Informationen wie die Bezahlung gehören heute für viele Beschäftigte und Firmen zur Privatsphäre, die man nicht verletzen will“, sagt Hans-Eckart Klose, Diplom-Psychologe mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie an der Uni Freiburg. Er rät deshalb dazu, bei der Transparenz der Bezahlung grundsätzlich vorsichtig zu sein und angemessene Regeln zu finden. Wüssten Kollegen voneinander genau, wer wie viel bekomme, könne das zum Gefühl von Ungerechtigkeit führen und das Betriebsklima beeinträchtigen. „Beschäftigte würden es jedoch oft begrüßen, wenn anonymisierte Vergleichszahlen zur Verfügung stünden, um die eigene Bezahlung besser einordnen zu können. Die Daten sollten aber keinen Rückschluss auf einzelne Mitarbeiter zulassen“, so Klose.

 

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sagt heute zwar, dass „Benachteiligungen aus Gründen des Geschlechts“ unter anderem beim „Arbeitsentgelt unzulässig sind“. Trotzdem verdienen Frauen oft weniger als Männer. Daten des Statistischen Bundesamtes für 2011 zufolge liegen die Stundenverdienste weiblicher Beschäftigter durchschnittlich 22 Prozent unter denen von Männern. Vergleicht man allerdings ähnliche, konkrete Tätigkeiten in Firmen, sind die Geschlechterunterschiede weit weniger groß. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln betragen sie dann zwischen zwei und elf Prozent.

 

Der beträchtliche Unterschied von fast einem Viertel kommt zustande, weil viele Faktoren zu einer insgesamt nachteiligen Beschäftigungssituation für Frauen beitragen. Ein wichtiger Punkt ist die Berufswahl. Elke Holst, Ökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW), sagt: „Viele Frauen neigen dazu, beispielsweise soziale Berufe zu ergreifen, die oft schlechter bezahlt sind. Sie werden Erzieherin, obwohl sie vielleicht auch das Zeug hätten, Maschinenbau zu studieren.“

 

Außerdem unterbrechen Frauen ihren Berufsweg häufig, weil sie Kinder bekommen und sich mehrere Jahre schwerpunktmäßig um deren Erziehung kümmern. Steigen sie später wieder in den Beruf ein, sind Männer mit vergleichbarer Ausbildung in der Unternehmens- oder Behördenhierarchie oft schon weiter aufgestiegen. Die nicht selten verkürzte Arbeitszeit der Frauen trägt ebenfalls dazu bei, dass sie weniger Geld bekommen als möglich. Ökonom Jörg Schmidt vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) sieht hier weniger die Firmen, als vielmehr die Politik in der Verantwortung: „Wer gleiche Löhne für Frauen und Männer will, sollte dringend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, zum Beispiel durch den weiteren Ausbau der Kitaplätze für Kleinkinder.“

 

DIW-Ökonomin Holst betont, dass allerdings auch die Unternehmenskultur eine Rolle spiele: „Die Personalabteilungen haben qualifizierte Frauen manchmal zu wenig auf dem Radar.“ Bei der Neubesetzung von Führungspositionen erhalten männliche Bewerber mitunter den Vorzug, weil Männer dazu neigen, Männer einzustellen.

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