Es muss nicht immer Google Maps sein

Der US-Konzern scheint bei Navigation das Maß der Dinge. Dabei nutzt die Industrie viel anspruchsvollere Karten europäischer Hersteller.

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Von Björn Hartmann

25. Nov. 2023 –

Einsteigen, Adresse eingeben, losfahren: Fast jedes Auto hat heutzutage ein Navigationssystem, das mehr oder weniger kompliziert zu bedienen ist. Oft ist der Griff zum Mobiltelefon mit Google Maps schneller und gewohnter. Es wirkt, als habe der US-Konzern das Thema Straßennavigation weltweit fest im Griff, als seien seine Karten das Maß der Dinge. Doch das trügt: Vor allem in der Industrie sind andere wichtiger.

In Deutschland lieferten Bosch und Blaupunkt in den 90er Jahren erste Navigationsgeräte, meist verbunden mit dem Autoradio. Später hießen die Hersteller Tomtom und Garmin, das Gerät hing gern mit einem Saugnapf befestigt in der Windschutzscheibe. Die Technik wanderte ins Bordsystem der Fahrzeuge. Und dann überrollte Google alles mit seiner einfach zu bedienenden Kartennavigation – dank Mobiltelefon überall verfügbar, wo es Netz gibt. Für Fußgänger und Autofahrer gleichermaßen geeignet.

Und die Hersteller der ersten Stunde? Gibt es noch. US-Hersteller Garmin ist allerdings inzwischen vor allem mit Fitness- und Outdoor-Uhren im Geschäft. Tomtom aus den Niederlanden verkauft zwar noch Navigationsgeräte, liefert aber vor allem Karten. Und dann ist da noch ein Unternehmen, das vor allem Experten kennen, ohne dessen Karten aber in vielen Autos nichts geht: Here, mit Sitz in den Niederlanden und Entwicklung in Berlin.

Mit reinen Straßenkarten haben die modernen Karten wenig zu tun. Sie liefern Informationen zu Spritpreisen, Staus, Schnee – in Echtzeit. Sie nutzen dafür nicht nur die Daten, die die Firmen mit eigenen Kamerawagen erheben, sondern auch Informationen aus anderen Fahrzeugen. Schalten zum Beispiel besonders viele Autos die Wischer in bestimmten Gebieten ein, wissen die Bordcomputer anderer Fahrzeuge, das sie auf eine Regenfront zusteuern.

Präzise Karten werden immer wichtiger. Für effizientere Routenplanung, verbesserten Transport von Waren, autonomes Fahren. Experten schätzten den Markt für Navigation, Karten und Apps 2022 auf 15 bis 16 Milliarden Euro. 2027 sollen es 27 Milliarden Euro sein. Nur ein Beispiel: Mit intelligenten Karten kann der Weg eines Paketzustellers je nach Wetter und Verkehrssituation in Echtzeit optimiert werden. Im Idealfall wird weniger Sprit verbraucht und die Zustellzeit verbessert. Weltweit werden jede Sekunde angeblich 5000 Pakete zugestellt, da ist Zeit tatsächlich Geld.

Obwohl der Markt lukrativ ist, gibt es im Wesentlichen nur fünf Anbieter, die digitale Karten selbst erstellen: Neben Google sind das Tomtom, Here und Apple. Etwas außer wirtschaftlicher Konkurrenz läuft das von der Gemeinschaft getragene Openstreetmap, bei dem Nutzer weltweit die Karten erstellen und ununterbrochen verbessern. Alle haben eigene Navigations-Apps für den normalen Endkunden.

Tomtom beliefert besonders Kunden in der Autoindustrie. Neben klassischen Karten für die Navigation hat Tomtom auch solche mit Informationen zu Kurvenradien und Steigungen im Programm. Und Verkehrsdaten. Das Unternehmen setzte 2022 mit 3800 Beschäftigten 536,3 Millionen Euro um. Es ist börsennotiert, 44,7 Prozent halten noch die vier Gründer.

Ein großer Kunde der Niederländer ist Apple. Der US-Konzern verwendet für seinen Kartendienst Echtzeitdaten von Tomtom, etwa zur Verkehrslage. Sonst vermisst Apple wie Google, Here und Tomtom auch mit eigenen Fahrzeugen die Straßen. Auch Personen mit Rucksackkamera sammeln Material, um etwa in der Kartenansicht am Rechner oder Smartphone bei Sehenswürdigkeiten eine Rundumsicht zu bieten. Das Apple-Angebot ist vor allem für den eigenen Kosmos, verkauft werden die Daten nicht.

Hinter Here stehen Audi, BMW, Bosch, Continental, Mercedes, Intel, Mitsubishi, NTT und Pioneer. Das Unternehmen sieht sich selbst als Nummer 1 der Welt für Karten-Datenplattformen. 6100 Mitarbeiter setzten 2023 928 Millionen Euro um. Die Kamerafahrzeuge des Unternehmens erfassen nicht nur Bilder einer Straße, sondern mit einem speziellen Radar auch Punktwolken. Solche Daten sind für hochpräzise Spezialkarten nötig. Sie überforderten den normalen Autofahrer, sind für den rollenden Computer mit seinen Assistenzfunktionen aber unerlässlich.

Ohne sogenannte HD-Karten (High Definition, hochauflösend) können Autos nicht autonom fahren. Eine solche Karten besteht nicht nur aus stilisierten Straßenzügen, sie enthält auch Informationen zu Bordsteinkanten, Bäumen, Schildern, Bebauung, dazu kommen eigene Sensordaten des Autos, Verkehrs- und Wetterinformationen sowie Daten anderer Autos. So nutzt die Mercedes S-Klasse für den Staupiloten eine HD-Karte von Here. Dabei fährt das Auto im Stau ohne Fahrer selbstständig, das sogenannte Level 3 von 5 beim autonomen Fahren.

Garmin konzentriert sich vor allem auf Fitnessuhren und Geräte für Outdoornavigation. Auch im Programm: elektronische Fluginstrumente und Schiffsnavigation. Inzwischen gibt es auch Karten-Anwendungen für Autos. Der Bereich wächst kräftig. Insgesamt setzte Garmin, Zentrale in Kansas City, rechtlicher Sitz im Schweizer Schaffhausen, 4,86 Milliarden Euro um. 19.700 Beschäftigte arbeiten für das Unternehmen. Karten allerdings kauft Garmin weitgehend zu, etwa von Here.

Und Google? Die Tochter des US-Konzerns Alphabet verdient Geld vor allem mit Werbung. Experten schätzen den Maps-Umsatz auf 4,3 Milliarden Dollar. Google selbst schweigt sich aus. In der Autoindustrie haben sich die Karten bisher nicht durchgesetzt. Allerdings navigiert der Mercedes-Bordcomputer für inzwischen mit Google Maps.

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