Es wird viele treffen

Haushalt 2011: Die Bundesregierung geht in Klausur, um die Staatsfinanzen zu ordnen. Wo kann sie sparen, wo die Steuern erhöhen? Eine Übersicht von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

04. Jun. 2010 –

Auf der Bundesregierung lastet ein enormer Druck, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Während ihrer Klausurtagung am kommenden Sonntag und Montag wollen die Kabinettsmitglieder erste Einsparungen und Einnahmeerhöhungen für den Bundeshaushalt 2011 beschließen.


Die prekäre Lage hat zwei Ursachen. Erstens sind die öffentlichen Schulden infolge der Finanzkrise auf Rekordniveau gestiegen. 1.714 Milliarden Euro hat sich der deutsche Staat mittlerweile geliehen. Alleine im Bundeshaushalt 2010 sollen zwischen 70 und 80 Milliarden Euro hinzukommen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat andererseits die große Koalition die Schuldenbremse ins Grundgesetz eingebaut. Wenn die Regierung nicht gegen die Verfassung verstoßen will, muss sie deshalb die Neuverschuldung in den kommenden Jahren auf nahezu Null senken. Das heißt: Ab 2011 sollte sie das Defizit im Bundesetat jährlich um etwa zehn Milliarden Euro verringern.


Das ist die Herausforderung. Wo aber kann die Regierung sparen? Wie ist es möglich, die Einnahmen zu erhöhen? Unsere Zeitung nennt eine Auswahl der wichtigsten Punkte.


Äcker, Milch, Wanderwege

Die Mitarbeiter von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollen sparen, indem sie unter anderem die Förderung der Landwirtschaft reduzieren. In diesem Jahr stehen für die Unterstützung von Milchbauern, Investitionen in landwirtschaftliche Betriebe, Flurbereinigungen und Wegebau noch rund eine Milliarde Euro zur Verfügung. Das könnten ab 2011 einige hundert Millionen weniger sein. Ähnliches gilt für die regionale Wirtschaftsförderung, die vor allem den östlichen Bundesländern und Berlin zugute kommt. Auch die Steinkohle-Subventionen, an denen Nordrhein-Westfalen ein besonderes Interesse hat, sind nicht sakrosankt.


Bundeswehr

Wenn statt 250.000 Bundeswehr-Soldaten nur noch 150.000 Dienst täten, sänken die Militär-Ausgaben um einige Milliarden. Alleine der Verzicht auf die Wehrpflicht könnte mit Einsparungen von rund einer Milliarde zu Buche schlagen. Beides lässt Verteidigungsminister zu Guttenberg angeblich prüfen, wobei Kanzlerin Angela Merkel die Wehrpflicht vorläufig nicht aufheben will. Leichter wäre es da schon, ein paar teure Waffensysteme, beispielsweise die Raketenabwehr vom Typ MEADS, einzusparen. Auch Waffen wie das Kampfflugzeug Euro-Fighter, der Panzerabwehrhubschrauber Tiger oder der Kampfpanzer Leopard stammen aus einer vergangenen Epoche der Kriegsführung und stehen heute meist sinnlos herum.


Verkehr

Verkehrs- und Bauminister Peter Ramsauer (CSU) verweigert bislang zwar bislang jegliche Einsparvorschläge, muss aber in jedem Fall 300 Millionen Euro aus seinem Etat herauskürzen – wahrscheinlich deutlich mehr. Dies wird auf den Verzicht oder die Verschiebung von Baumaßnahmen hinauslaufen. Beispiele dafür wären die Verlängerung der Autobahn A 100 und die Wiedererrichtung des Hohenzollernschlosses in Berlin oder der 1,2 Milliarden teure Umbau des Hauptbahnhofs von Stuttgart. Um dies zu vermeiden, denkt Ramsauer daran, die Lkw-Maut von Autobahnen auf vierspurige Bundesstraßen auszudehnen. Eine neue Pkw-Maut, für die etwa der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle eintritt, ist eher unwahrscheinlich.


Sozialausgaben

Im Gespräch ist, Kurse, Fortbildung und finanzielle Förderung von Arbeitslosen einzuschränken. Dass Union und FDP sich auf Einsparungen an dieser Stelle einigen, ist wahrscheinlich. Außerdem müssen Hartz-IV-Empfänger damit rechnen, statt ihrer tatsächlichen Wohnungsmiete nur noch eine Pauschale erstattet zu bekommen. Diese könnte in vielen Fällen geringer ausfallen, als die aktuelle Zahlung. Ferner denkt Familienministerin Kristina Schröder darüber nach, das Elterngeld zu kürzen, das ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen eingeführt hat.


Höhere Einkommenssteuer

Indem sie Ausgaben streicht, wird die Regierung ihr Ziel allerdings nicht erreichen. Parallel werden manche Bevölkerungsgruppen wohl mehr Geld an den Staat zahlen müssen. Selbst CDU-Minister schließen nicht aus, dass man die Einkommenssteuer für Wohlhabende und Reiche erhöhen könnte. Freilich sträubt sich die FDP dagegen ganz vehement. Eine Variante wäre auch, den Solidaritätszuschlag anzuheben, der eigentlich dafür gedacht war, die Wiedervereinigung zu finanzieren. Relativ wahrscheinlich ist es, dass die Banken, Versicherungen und Investoren eine neue Steuer abführen müssen, damit sie sich an der Finanzierung der Krise beteiligen.


Mehrwertsteuer

Relativ einfach könnte die Regierung größere Beträge einsammeln, wenn sie den niedrigen Satz der Mehrwertsteuer für viele oder die meisten Produkte abschaffte. Warum beispielsweise Tierfutter steuerlich begünstigt wird, ist ohnehin schwer zu rechtfertigen. Abzuwarten bleibt, ob die FDP an diesem Punkt bereit ist, ihr Credo der Steuersenkungspartei aufzugeben.


Höhere Sozialbeiträge

Dass die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung steigen, ist ausgemacht – es fragt sich nur, wieviel. Heute zahlen Arbeitnehmer und Unternehmen 2,8 Prozent der Bruttolöhne. Unionsminister können sich aber auch vorstellen, dass künftig 3,3 oder gar vier Prozent erhoben werden. Zudem kommen auf die Beschäftigten und Versicherten höhere Beiträge für die Krankenkassen zu. Gesundheitsminister Philipp Rösler sucht nach Möglichkeiten, das Milliardenloch der Kassen zu stopfen, kann bislang aber keinen konsensfähigen Vorschlag präsentieren.


Weniger Subventionen

Ausnahmen von der normalen Besteuerung kosten den Staat Dutzende Milliarden. Alleine durch die weitgehende Befreiung von der Ökosteuer sparen Industrieunternehmen jährlich rund sechs Milliarden Euro. Die Fluggesellschaften und Touristen profitieren, weil Flugtreibstoff begünstigt wird. Und auch Handwerkerleistungen zur Renovierung von Wohnungen lassen sich von der Steuer absetzen. Hier einzugreifen, wäre einfach - und schwer zugleich. Denn über jede Vergünstigung wacht eine Interessengruppe. Die Regierung ist um ihren Sparjob nicht zu beneiden. Ein Kabinettsmitglied sagte es so: „Um akzeptiert zu werden, müssen die Sparmaßnahmen möglichst viele Bürger erfassen“.



Info-Box

Der Bundeshaushalt 2010 – Renten, Zinsen und Raketen


Der Haushalt des Bundes enthält Ausgaben von rund 320 Milliarden Euro. Durch Steuern und andere Einnahmen kommen knapp 240 Milliarden herein. Kredite decken die Lücke von 80 Milliarden Euro.


Den größten Einzeletat verantwortet Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit 147 Milliarden Euro. Über 80 Milliarden davon fließen an die Rentner. Diesen Posten erklärt jede Regierung auf´s Neue zum Tabu – hier dürfe nicht gespart werden. Das Arbeitslosengeld II kostet 24 Milliarden Euro. „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ schlagen mit sieben Milliarden Euro zu Buche, Wohnkosten von Arbeitslosen mit 3,4 Milliarden. Bei diesen Posten sind Einschnitte schon eher realistisch.


An zweiter Stelle der größten Ausgaben kommen schon die Schuldzinsen mit 40 Milliarden Euro. Hier kann man nichts sparen – sonst kaufen Bürger und Investoren keine Staatsanleihen mehr.


Nummer 3 in der Etat-Hitliste ist der Verteidigungshaushalt. 31 Milliarden Euro geben wir für Waffen und Soldaten aus, wobei nur ein paar tausend Soldaten weltweit tatsächlich im Einsatz sind.


Danach folgen Verkehr (26 Milliarden), Gesundheit (16 Milliarden) und Forschung-Bildung (11 Milliarden).

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