EU lässt die Kritiker zu Wort kommen

Wie läuft die Bürgerbefragung zum Freihandelsabkommen Europa-USA ab?

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Von Hannes Koch

07. Feb. 2014 –

Der zunehmende Protest gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA hinterlässt erste Wirkung. So kündigte die EU-Kommission kürzlich an, die Bürger der Union offiziell zu befragen. Vor allem soll es bei dieser Konsultation um den umstrittenen Schutz für Firmeninvestitionen gehen. Nun stellt sich die Frage: Ändern solche europaweiten Bürgerbefragungen etwas?

 

Die EU-Kommission und die US-Regierung verhandeln darüber, den Austausch von Gütern, Kapital, Wissen, möglicherweise auch Arbeitskräften zwischen den beiden größten Wirtschaftsblöcken der Erde zu erleichtern. Kritiker in Europa – Linke, Grüne, Sozialdemokraten, Gewerkschafter – stören sich unter anderem an zwei Punkten: der Geheimniskrämerei, die die Verhandlungen umgibt, und den offensichtlich geplanten Schutzvorschriften für Investitionen. Diese könnten dazu führen, dass Unternehmen die jeweils andere Regierung vor speziellen, neuen Gerichtshöfen verklagen dürfen. Das betrachten die Kritiker als mögliche Umgehung der rechtsstaatlichen Justiz, in Deutschland beispielsweise der Verwaltungsgerichte.

 

Die öffentliche Aufregung verringern soll nun die Konsultation. Solche öffentlichen Erkundigungen der Politik bei den Bürgern Europas sind ein normales Verfahren. Sie werden regelmäßig zu Gesetzesinitiativen der EU-Kommission anberaumt. Die Konsultation zum Freihandel soll im kommenden März beginnen und drei Monate dauern. Als erstes muss die Kommission dann einen Text veröffentlichen, der das darstellt, was in Sachen Investitionsschutz geplant ist.

 

Bernd Lange, SPD-Abgeordneter im EU-Parlament, begrüsst diesen Schritt Handelskommissar Karel De Guchts. Aber Lange fügt eine Kritik an, die auch die grüne Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn teilt. Beide meinen, dass die Kommission alle Unterlagen über alle Verhandlungspunkte veröffentlichen solle, nicht nur über die Investitionsfrage. Ob die Kommission darauf eingeht, ist ungewiss.

 

Im nächsten Schritt können alle Staatsbürger der EU-Mitgliedsländer, aber auch Organisationen und Verbände ihre Einschätzungen an die Kommission schicken. Die Einwendungen und Anregungen muss die Kommission allerdings nicht verbindlich in ihre Entscheidungsfindung aufnehmen. Dennoch „können durch dieses Instrument wichtige Informationen, Fachwissen und Expertise in den politischen Entscheidungsprozess einfließen“, sagt eine Sprecherin der Kommission in Berlin. Die Zusendungen werden transparent dokumentiert. Indem man den endgültigen Gesetzesvorschlag mit dem Ausgangsdokument vergleicht, lässt sich feststellen, welche Bürger-Anliegen eine Rolle gespielt haben.

 

Ob dieser Einwendungsprozess die Position der Kommission ändert, hängt auch von der Zahl der Zusendungen und dem Interesse der Öffentlichkeit ab. 2011 fragte die Kommission beispielsweise, ob der Verbrauch von Plastiktüten eingeschränkt werden solle. Vergleichsweise viele Bürger antworteten – 15.550. Die große Mehrheit sprach sich für Einschränkungen aus. Die Kommission folgte diesem Votum dann in vielen Punkten.

 

Beim aktuellen Thema des Investitionsschutzes gehen die Forderungen der Einwender und die Absicht der Kommission möglicherweise weit auseinander. Dann muss man sehen, welche Kompromisse die EU-Bürokratie zu machen bereit ist. "Ich befürchte, dass die Konsultation ein Ablenkungsmanöver der Kommission ist, um so das Thema aus dem Europawahlkampf herauszuhalten", sagte die grüne EU-Abgeordnete Franziska Keller.

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