Europa saniert Deutschland

Schäubles Bilanz: Kaum neue Schulden 2014, danach erstmals seit 1969 Überschüsse im Bundeshaushalt

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Von Hannes Koch

24. Jun. 2013 –

Wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den vergangenen Jahren den Bundeshaushalt präsentierte, war ein Satz Standard: „Finanzielle Spielräume gibt es nicht“. Die Finanzkrise ließ grüßen, die steigende Staatsverschuldung ebenso. Jetzt ist es plötzlich anders. Im Finanzministerium an der Berliner Wilhelmstraße heißt es: „Die Spielräume sind beschränkt“. Also gibt es wieder welche.


Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas geht es dem deutschen Staat finanzpolitisch sehr gut. Am kommenden Mittwoch will das Bundeskabinett einen Haushaltsplan für 2014 beschließen, der mehr oder weniger ausgeglichen ist. Einnahmen und Ausgaben halten sich die Waage – abgesehen von einem kleinen neuen Kredit in Höhe von 6,2 Milliarden Euro. Selbst die Folgekosten des Nachtragshaushalts für die jüngsten Überschwemmungen sind darin schon enthalten.


2015 dann soll ein Zustand eintreten, den es seit 1969 nicht mehr gab: Der Bund verschuldet sich nicht zusätzlich, sondern erwirtschaftet einen Überschuss. Wenn es nach Schäuble und seinem Staatssekretär für Haushaltsfragen, Werner Gatzer, geht, steigt der jährliche Überschuss im Finanzplan bis 2017 auf fast zehn Milliarden Euro an.


Dieses Ergebnis basiert vornehmlich auf der für Deutschland trotz Finanzkrise guten Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahre. Die Staatseinnahmen steigen, und die Ausgaben für Arbeitslosigkeit gehen zurück. Hinzu kommt, dass Deutschland gerade auch durch die Krise zusätzlich profitiert. Weil internationale Investoren viel Kapital in vergleichsweise sichere deutsche Staatsanleihen stecken, muss die Bundesschuldenverwaltung weniger Zinsen zahlen als geplant. Dafür reserviert Schäuble 2014 nur 29 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2008 betrug der Schuldendienst über 40 Milliarden Euro. Verkehrte Welt: Deutschland verzeichnet Überschüsse, weil die Investoren andere Länder für wenig vertrauenswürdig halten.


Auch deutschen Unternehmen geht es besser, als ihren Konkurrenten im europäischen Ausland. Zwei Gründe spielen eine Rolle: Die Kosten für Kredite sind hierzulande geringer, und die traditionell starke deutsche Exportindustrie profitiert vom relativ niedrigen Außenwert des Euro, der die Ausfuhren verbilligt. Dadurch steigen die Gewinne und schließlich auch die Steuereinnahmen im Bundeshaushalt. Andererseits sinken die Kosten für Sozialausgaben, weil mittlerweile 41,5 Millionen Menschen hierzulande einer Lohnarbeit nachgehen. So kann der Finanzminister beispielsweise die Zuschüsse zum Gesundheitsfonds der Krankenversicherungen 2014 um 3,5 Milliarden Euro kürzen.

 

Schäuble und Gatzer schlagen nun vor, die geplanten Überschüsse – wenn sie denn tatsächlich eintreten – in den kommenden Jahren zu verwenden, um alte Schulden zurückzuzahlen. Insgesamt liegt die Staatsverschuldung mittlerweile über 2.000 Milliarden Euro. Aber es gibt auch andere Vorschläge, beispielsweise des grünen Europa-Parlamentarier Sven Giegold. Dieser verlangt, Deutschland solle mehr Geld aufwenden, um Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit im Euroraum zu bekämpfen. „Den Menschen in den Krisenländern wurde bislang nicht ernsthaft geholfen“, kritisiert Giegold unter anderem im Hinblick auf die deutschen Bemühungen, den gemeinsamen Haushalt der EU zu drücken, statt auszuweiten.


Solche Argumente freilich will das Finanzministerium nicht gelten lassen. Auf verschiedenen Wegen unterstütze man andere Euroländer mit Milliarden, heißt es. So überweise die Bundesbank im laufenden Jahr fast 600 Millionen Euro weniger an den Bundeshaushalt als möglich, weil man dieses Geld der griechischen Regierungen zur Schuldentilgung gebe. Außerdem stelle Deutschland dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus ESM 22 Milliarden Euro zur Verfügung – gar nicht zu reden von Bürgschaften zugunsten verschuldeter Staaten, die dreistellige Milliardenbeträge erreichen.


Die Debatte, wieviel Geld man für schöne Dinge ausgeben kann, wird in den kommenden Monaten andauern. Schließlich herrscht Bundestagswahlkampf. Die CDU beispielsweise plädiert dafür, das Kindergeld und den steuerlichen Freibetrag für Kinder zu erhöhen. Die SPD will mehr Geld für Bildung ausgeben. Und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wies am Montag daraufhin, dass dringend Milliarden Euro in die Infrastruktur – Verkehrswege, Datenleitungen, Schulen – investiert werden müssten, damit die Substanz nicht verfalle.


Ob dieser neuen Euphorie sind aber auch warnende Stimmen zu vernehmen. SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider mahnte: „Die Finanzplanung am Ende einer Legislaturperiode ist immer mit Vorsicht zu genießen“. Die Regierung neige dazu, ihr Erbe schönzumalen. Ob der Bundeshaushalt wirklich von den roten in die schwarzen Zahlen schwenke, sei noch nicht ausgemacht, so Schneider. Unter anderem könne ein drittes Griechenland-Hilfspaket oder ein Schuldenschnitt für Athen auch neue Belastungen für den Bundeshaushalt mit sich bringen.


Info-Kasten

Haushalt in Zahlen

Laut Plan von Bundesfinanzminister Schäuble soll 2014 vorläufig das letzte Jahr mit einem Defizit im Bundeshaushalt sein. Einnahmen von 289 Milliarden Euro stehen Ausgaben von 295 Milliarden gegenüber. Ab 2015 dann soll sich das Verhältnis umkehren: Die Einnahmen übersteigen die Ausgaben. 2017 stehen Einnahmen von 317 Milliarden auf dem Papier und Ausgaben von 308 Milliarden.

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