Europa will die Banken bändigen

Beim Weltfinanzgipfel in Washington fordert die EU, den Finanzmärkten einen wirksamen politischen Rahmen zu geben. Obwohl die USA besonders von der Krise betroffen sind, zaudert die dortige Regierung

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Von Hannes Koch

14. Nov. 2008 –

Wird der Kapitalismus am Wochendende in Washington abgeschafft? Nein. Doch die globale Finanzkrise hat etwas möglich gemacht, das in den vergangenen 30 Jahren völlig utopisch erschien. Mindestens theoretisch herrscht der politische Konsens, dass das Weltfinanzsystem nicht weiter liberalisiert, sondern im Gegenteil besser reguliert werden muss.

 

Um das zu bewerkstelligen, treffen sich diesen Freitag Abend und Samstag die Regierungen der 20 stärksten Wirtschaftsnationen in der US-Hauptstadt. Die wichtigste Frage lautet schlicht: Wie soll ein Rahmen für die Finanzmärkte aussehen, der künftig eine Krise wie die gegenwärtige verhindert?

 

Eine politische Antwort auf diese Frage zu finden, ist auch deshalb so schwer, weil eine praktische Folge schon jetzt ziemlich klar ist. Investmentfonds, Hedgefonds und Banken müssten sich darauf einstellen, weniger Gewinn zu erwirtschaften. 2006 zahlte die Investmentbank Goldman Sachs ihren 26.000 Mitarbeitern rund 16 Milliarden Dollar als Gehälter – durchschnittlich 615.000 Dollar pro Kopf. Mit einer strengeren Regulierung wird dieser Geldsegen versiegen.

 

Weniger Gewinne für die Banken an der New Yorker Wallstreet und in der Londoner City – diese Aussicht ist ein Grund, warum beim Krisengipfel in Washington vermutlich nicht viel Konkretes herauskommen wird. Traditionell lehnen die Regierungen der USA und Großbritanniens Maßnahmen ab, die ihren Finanzbranchen zu große Beschränkungen auferlegen. Und zweitens haben die USA zur Zeit keinen handlungsfähigen Präsidenten. George W. Bush amtiert nur noch bis Januar. Dann übernimmt Nachfolger Barack Obama die Amtsgeschäfte. Erst danach können richtige Verhandlungen beginnen.

 

Darauf haben sich die Bundesregierung und die Europäische Union bereits eingestellt. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wäre schon zufrieden, wenn „ein Mandat erteilt“ würde, um einen regulatorischen Rahmen für die Finanzmärkte zu erarbeiten“. In „100 Tagen“ soll man sich zum nächsten Gipfel treffen, bei dem dann entschieden wird. Man darf gespannt sein.

 

Die EU hat sich am vergangenen Wochenende darauf verständigt, wie aus ihrer Sicht ein neuer Rahmen für die Finanzmärkte aussehen könnte. Vor allem peilen die europäischen Regierungen an, Ansätze einer internationalen Bankenaufsicht ins Leben zu rufen. „Kein Finanzinstitut, Marktsegment oder Territorium darf ohne angemessene Regulierung oder zumindest Beaufsichtigung bleiben“, lautet der zentrale Satz. Auch Hedgefonds und Rating-Agenturen sollen künftig nicht mehr machen können, was sie wollen. Das ist ein politischer Anspruch, der in den vergangenen Zeiten der Deregulierungseuphorie völlig undenkbar erschien.

 

Doch gleichzeitig bleiben Bundesregierung und EU hinter dem zurück, was sinnvoll wäre. Peter Bofinger, Wirtschaftsberater der Bundesregierung, argumentiert, dass es mit Kontrolle nicht getan sei. Anstatt die privaten Rating-Agenturen nur zu beaufsichtigen, schlägt er vor, gleich eine staatliche, europäische Agentur zu gründen. Diese könne im öffentlichen Interesse ein Gegengewicht zu angelsächsischen Firmen Standard & Poor´s und Moody´s schaffen, die mit ihrer falschen Bewertung von Wertpapieren zur Finanzkrise beitrugen. „Ich sehe die Gefahr, dass der Weltfinanzgipfel nur kosmetische Änderungen beschließt, aber keinen grundsätzlichen Richtungswechsel“, sagte Bofinger.

 

Auch an einem zweiten Punkt geht der Würzburger Wirtschaftsprofessor über den EU-Plan hinaus. Bofinger fordert, ein internationales Kreditregister zu gründen. Darin sollten alle Banken, Fonds und Investoren ihre Schulden verzeichnen müssen. Die Zusammenballung finanzieller Risiken wäre für die Bankenaufsicht rechtzeitig zu erkennen. Diese Idee zieht inzwischen Kreise. Ottmar Issing, der ehemalige Chefvolkswirt der Bundesbank, hat das Kreditregister in seinen Anti-Krisen-Plan aufgenommen, mit dessen Ausarbeitung Kanzlerin Merkel ihn beauftragt hatte.

 

Als weitere Regulierungsschritt will die EU den Banken vorschreiben, dass künftig alle Geschäfte in den Bilanzen auftauchen müssen – auch die von Ablegern in Niedrigsteuerländern wir Irland oder Steueroasen wie den Cayman-Inseln. Die nicht bilanzierten Milliarden-Verpflichtungen ausländischer Tochterbanken hatten auch deutsche Institute, unter anderem die Sächsische Landesbank und die Münchener Hypo Real Estate, in die Finanzkrise hineingezogen. Außerdem sollen die Institute künftig mehr Eigenkapital in Reserve halten, wenn sie risikoreiche Geschäfte tätigen. Absicht: Die Transaktionen würden teurer, die Vorsicht nähme zu.

 

In den Augen mancher Banker grenzen diese Pläne schon an Enteigung. Doch kritischen Ökonomen gehen sie nicht einmal weit genug. So plädiert Margit Schratzenstaller vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung dafür, die Gunst der Stunde zu nutzen und eine weltweite Steuer auf Finanztransaktionen einzuführen.

 

Diese Steuer hätte zwei Wirkungen: Würde sie auf alle Finanzgeschäfte erhoben, entzöge sie den Märkten Geld und könnte die Spekulation bremsen. Außerdem würde sie leicht Staatseinnahmen von mehreren Hundert Milliarden Euro erbringen. Diese könnte man den Vereinten Nationen überweisen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat den Weltfinanzgipfel aufgerufen, auch die Interessen der ärmeren Länder zu berücksichtigen. Die Menschen in den Entwicklungsländern seien am stärksten betroffen vom weltweit stockenden Wirtschaftswachstum, schrieb Ban in einem Brief an die Gipfelteilnehmer.

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