Experten als Kontrolleure für Dr. Oetker

Bundesrechnungshof beklagt ineffizienten Flickenteppich bei der Lebensmittelüberwachung / Der Bund soll mehr Aufgaben bekommen

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Von Wolfgang Mulke

22. Nov. 2011 –

Der Bundesrechnungshof (BRH) stellt der Lebensmittelüberwachung in Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus. Mehr als 400 Kontrollbehörden würden die Bestimmung in sicherheitsrelevanten Bereichen uneinheitlich ausüben, kritisiert der BRH die gängige Praxis in einem von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) in Auftrag gegebenen Gutachten. Ein für alle geltenden Durchführungsrecht gebe es nicht, weil Bund und Länder sich nicht darüber verständigen können. Außerdem fehle es den Ämtern, die oft in der Kommune ansässig sind, vielfach an genügend Geld und Personal für wirksame Kontrollen.


Die Überprüfung von Herstellern, Handel und Gastronomie ist Ländersache. Der Bund hat bislang nur wenige Kompetenzen. Das hat sich bei den großen Krisen rund um dioxinverseuchte Eier im letzten Winter und den EHEC-Keim im Sommer als gravierender Nachteil erwiesen. „Notfallpläne der Länder stehen weitgehend beziehungslos nebeneinander“, stellen die Gutachter fest. Verbindliche Strukturen für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern fehlen. Die Prüfer bemängeln, dass in Berlin Krisenstäbe zwar eingerichtet werden, der Bund aber keinerlei Handlungsbefugnisse besitzt.


Der BRH verlangt Reformen, damit Krisen rund um die Ernährung der Menschen besser vermieden oder bewältigt werden können. „Kernelement sollte ein nationaler Krisenstab sein“, heißt es im Bericht. Die Taskforce soll die Information der Öffentlichkeit übernehmen und den Ländern Weisungen erteilen dürfen. Bislang agieren die Länder eigenständig, auch wenn das zugrunde liegende Problem wie der EHEC-Keim ganz Deutschland betrifft.


Globale Lebensmittel- oder Handelskonzerne wie die Metro, Nestle oder Dr. Oetker, sollen nach dem Willen des Rechnungshof von bundesweit agierenden Spezialeinheiten unter die Lupe genommen werden. Die Länderbehörden kümmern sich dann um die kleineren Händler und Hersteller, das Handwerk und die Gastronomie. „Ein kleiner Fehler kann zu großen Folgen führen“, begrüßt Aigner den Vorschlag, Spezialisten mit großem Sachverstand statt Prüfer einer Stadtverwaltung in die Großbetriebe zu entsenden. Schließlich fordert der BRH einheitliche Qualitätsstandards für die Lebensmittelkontrolle und eine Verschärfung der für die Wirtschaft verbindlichen Eigenkontrollen. Unter anderem sollen die Gastwirte beim fälligen Sachkundenachweis höhere Anforderungen erfüllen. Auch schlägt der BRH vor, dass immer zwei Prüfer zusammen zum Betriebsbesuch aufbrechen. Gegenseitige Gefälligkeiten werden so erschwert.


Aigner sieht sich mit dem Gutachten bestätigt. „Es gibt eine Reihe von Schwachstellen, die wir nicht ignorieren dürfen“, sagt die Ministerin, die in Gesprächen mit den Ländern Überzeugungsarbeit für bundesweit einheitliche Standards leisten will. Bis zum September 2012 soll eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern Reformvorschläge ausarbeiten. Gegen den Willen der Länder will Aigner nichts unternehmen, weil dem Bund die Befugnisse dazu fehlen.


Kritik kommt von der Opposition. Die Regierung habe beim EHEC-Krisenmanagement versagt, stellt die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen, Nicole Maisch, fest. Wie der Rechnungshof fordern auch die Grünen einen dauerhaften nationalen Krisenstab, in dem der Bund das Sagen hat. Die SPD wirft Aigner vor, dass sie sich hinter den Ländern verstecke, statt selbst eine Reform der Lebensmittelkontrollen vorzuschlagen.

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