Familie ist auch ein Wirtschaftsfaktor

Serie "Familie und Wirtschaft" Teil 1

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Von Wolfgang Mulke

20. Dez. 2012 –

Wenn Heiligabend die Kerzen am Weihnachtsbaum erleuchten, schart sich immer seltener eine  klassische Familie mit zwei Eltern und Kindern dazu. Das traditionelle Lebensmodell ist auf dem Rückzug, auch wenn jungen Menschen die lebenslange Partnerschaft und die gemeinsame Erziehung und Betreuung von Kindern weiter zu ihren wichtigsten Lebenszielen zählen. Doch am Gabentisch sitzen mittlerweile vielfältig zusammengewürfelte Gruppen. Patchwork-Eltern, Großeltern, Freunde oder bisweilen auch gleichgeschlechtliche Partner. „Heute stiftet Familie Sinn“, glaubt der Philosoph Richard David Precht. Mit Kindern hat dies nicht mehr zwangsläufig etwas zu tun.

 

Das zeigt auch die jüngste Studie des Instituts für Bevölkerungsentwicklung im Auftrag der Bundesregierung. Trotz einer üppigen staatlichen Familienförderung bleibt die Geburtenrate in Deutschland so niedrig wie in kaum einen anderen Land. 1,39 Kinder bringt jede Frau durchschnittlich zur Welt. Um die Bevölkerungszahl konstant zu halten, müssten es wenigstens zwei sein. Das geht, wie es das Nachbarland Frankreich zeigt, in dem diese Marke sogar leicht übertroffen wird. Vorne liegen die nordeuropäischen Länder. Das Bundesamt erklärt diese Unterschiede mit der aktiven Familienpolitik in den Ländern, die Frauen zu mehr Gleichberechtigung im Job verschafft und für Kinderbetreuungsmöglichkeiten sorgt.

 

Neben dem Wunsch nach Selbstverwirklichung, also Spaß am Leben, spielen wesentliche Schwächen der Gesellschaft die größte Rolle. Vor allem in den westlichen Bundesländern ist das Image berufstätiger Mütter immer noch schlecht. Auch schreckt die Doppelbelastung aus beruflicher Karriere und Erziehungsaufgaben viele Paare vor dem Kinderkriegen ab. Arbeit und Familie sind trotz aller Beteuerungen von Politik und Wirtschaft schwer miteinander zu vereinbaren. Das zeigt die Statistik deutlich. Je besser Frauen ausgebildet sind, desto weniger Kinder haben sie. Ein Drittel der Hochqualifizierten verzichtet ganz darauf.

 

Warum ist die Familienförderung so erfolglos und wie kann für Eltern ein besseres Umfeld geschaffen werden? Das sind die zentralen Fragen, der in dieser Serie auf den Grund gegangen wird. Denn die Antworten darauf sind für den Erhalt des Wohlstands und des Sozialstaats von großer Bedeutung. Die Wirtschaft ist auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen.  Fast ein Drittel der Mütter steigt nach der Geburt des ersten Kindes aus dem Erwerbsleben aus. „Die Frauen bleiben zu Hause, weil sie nicht die Rahmenbedingungen finden, die sie brauchen“, sagt Jutta Allmendinger, die Chefin des Wissenschaftszentrums Berlin.

 

Am guten Willen der Politik mangelt es nicht. Immerhin 152 familienpolitische Maßnahmen gibt es in Deutschland. Jahr für Jahr kosten sie zusammen 123 Milliarden Euro. Daran gemessen ist der Erfolg miserabel. Es gibt zu wenige Kinder und Eltern sind statistisch betrachtet ein weitaus häufiger arm als Rentner. Warum das so ist, wird diese Serie zeigen.

 

Ein Schlüssel zur Lösung der Probleme hält die Wirtschaft in der Hand. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen und Karrierechancen für Mütter und Väter könnten die Entscheidung für Kinder fördern. Doch die Praxis sieht entgegen allen Beteuerungen oft kinderfeindlich aus. Es wird die Präsenz am Arbeitsplatz verlangt, oft auch gerade in jungen Jahren ein überdurchschnittlicher Zeitaufwand für den Beruf. Betreuungsmöglichkeiten bieten die wenigsten Betriebe und je einfacher die Tätigkeit wird, desto weniger wird auf die Belange von Eltern Rücksicht genommen. Das rechnet sich volkswirtschaftlich, aber auch  unternehmerisch durch eine hohe Bindung der Eltern an den Betrieb, eine hohe Motivation und sinkende Rekrutierungskosten. Damit junge Menschen der Wirtschaft helfen, muss die Wirtschaft auch den jungen Menschen helfen.

 

 

 

 

 

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