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Neustart bei E10 fällig

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Von Wolfgang Mulke

12. Apr. 2011 –

 

Bis vor wenigen Jahren standen auf den Verpackungen der Nahrungsmittelindustrie häufig Zahlen auf der Zutatenliste, denen ein großes „E“ vorangestellt war. Hinter den Kürzeln verbergen sich allerlei Zusatzstoffe der Rezeptur. Die auf möglichst natürliche Waren geeichten Verbraucher ließen die E-Lebensmittel irgendwann links liegen. Heute finden sich deshalb kaum noch welche in den Regalen. Das Image der E-Nummern war einfach zu mies. Doch am Gehalt der umstrittenen Zutaten hat sich nichts geändert. Nur stehen sie jetzt unter anderen, unverfänglichen Namen auf der Pizza oder dem Funktionsdrink. Daraus kann man etwas lernen.


Denn nun erregt E10 die Gemüter der Autofahrer. Kaum jemand will den mit Bioethanol versetzten Sprit. Allein schon der Begriff schreckt ab. Das hätten die Kommunikationsexperten nach den Erfahrungen aus der Lebensmittelbranche ahnen können. Das ist zwar nur ein kleiner, aber durchaus erwähnenswerter Fehler bei der Einführung des klimaschonenden Kraftstoffs. Dessen Premiere ist auch deshalb nicht geglückt.


Schwerer noch wiegen die Kommunikationsfehler der Beteiligten, die allesamt versagt haben. Der zuständige Umweltminister ist in Sachen E10 auf Tauchstation gegangen. Norbert Röttgen schweigt und sitzt das Problem aus. Die Autoindustrie hat sich lange keine Mühe gegeben, die Einführung durch leicht zugängliche Informationen zu unterstützen. Und die Mineralölwirtschaft nimmt, ohne rot zu werden, die höheren Gewinnmargen den teureren Sprits mit, auf den die Autofahrer ausweichen. Nun will sie sich auch noch um drohende Strafzahlungen drücken. Diese werden fällig, wenn die vorgeschriebene Biospritquote nicht eingehalten wird. Den Rest des Flops besorgen die übervorsichtigen Autofahrer.


Als Reaktion auf den Kaufboykott wird nur wieder das alte Superbenzin vermehrt angeboten. Das ist der falsche Weg. Ein Neustart muss her, denn um höhere Beimischungsquoten kommen wir nicht herum, wenn Deutschland die Klimaschutzziele erreichen soll. Daran müssen sich die Autofahrer langsam gewöhnen. Der Einsatz von Biosprit ist zwar keine alleinige Lösung, aber Teil des Gesamtkonzepts.


Wer das nicht einsieht, muss Alternativen wie ein scharfes Tempolimit auf Autobahnen vorschlagen. Ohne einen nennenswerten Beitrag des Individualverkehrs geht es nicht. Auch die Konkurrenz Tank gegen Teller zieht nicht, zumindest derzeit nicht. Von den zwölf Millionen Hektar landwirtschaftlicher Anbauflächen werden momentan keine 300.000 Hektar für die Energiegewinnung genutzt. Dieses Verhältnis ist unproblematisch.


Wie geht es jetzt weiter? Die Bundesregierung wird keinen Rückzieher machen. E10 ist Teil des Energiekonzeptes, dass schon durch den Rückzug aus der Atomkraft fast zur Makulatur geworden ist. Ein Neustart muss also her, der den Sinn der Beimischungsquote noch einmal verdeutlicht und die Bürger mit ihren Befürchtungen wirklich ernst nimmt. Dazu gehört auch eine offene Debatte über den Preis des Sprits. Denn der höhere Verbrauch von E10 kommt bei gleichem Literpreis einer verdeckten Preiserhöhung gleich. Kein Wunder, dass sich viele Autofahrer veräppelt vorkommen.

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