Foodwatch gibt Banken Mitschuld am Hunger

Spekulation macht Lebensmittelpreise für Arme unerschwinglich / Deutsche Bank bestreitet den Einfluss der Finanzmärkte

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Von Wolfgang Mulke

18. Okt. 2011 –

Investmenthäuser wie die Deutsche Bank oder Goldman Sachs treiben mit ihren Angeboten für Geldanlagen in Agrarrohstoffen die Nahrungsmittelpreise in die Höhe. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Verbraucherorganisation Foodwatch. Fonds, Termingeschäfte oder Zertifikate auf Weizen, Mais oder Öl sind demnach für den Hunger in der Welt mit verantwortlich. „Die Banken kassieren Gebühren und können daher mit hochspekulativen Wetten nur gewinnen, während Risiken die anderen tragen“, kritisiert Foddwatch-Chef Thilo Bode. Vor allem die Ärmsten der Armen können deshalb ihr Essen nicht mehr bezahlen.


Tatsächlich sind die Preise für Nahrungsmittel im letzten Jahrzehnt in die Höhe geschnellt und sie schwanken auch sehr stark. Über die Gründe dafür gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen. Der Autor der Studie, der Journalist Schumann, macht die Finanzbranche für Preissteigerungen zwischen 15 und 50 Prozent verantwortlich. Rund 600 Milliarden Dollar sind seinen Recherchen zufolge derzeit in Rohstoffen angelegt. Die Deutsche Bank hält die Untersuchung für eine saubere Arbeit, weist die Schlussfolgerungen jedoch zurück. „Preissteigerungen und Schwankungen bei Agrarrohstoffen werden vorrangig durch Fundamentaldaten bestimmt, wie extreme Wetterereignisse oder den wachsenden Bedarf an Biodiesel bestimmt“, sagt ein Sprecher der Bank. Auch das veränderte Ernährungsverhalten oder Wechselkursschwankungen seien für die Entwicklung verantwortlich. Allerdings räumt das Institut auch einen Beitrag der Geldanleger am Auf und Ab der Märkte ein.


Die Verbraucher in den Industrieländer spüren im Supermarkt nur wenig vom Geschehen an den weltweiten Agrarmärkten. Deutsche Haushalte geben zum Beispiel im Durchschnitt weniger als 15 Prozent ihres Budgets für Lebensmittel aus. In Entwicklungsländern liegt der Anteil mitunter bei 80 Prozent. Jeder Cent mehr für ein Kilogramm Brot kann für die Menschen dort existenziell sein.


Im Gegensatz zu Gold oder Aktien werden Getreide und Fleisch gar nicht wirklich an den Börsen gehandelt. Dort geht es nur um Termingeschäfte, also den zukünftigen Preis eines Rohstoffes. Umstritten ist der Zusammenhang zwischen den Kosten für ein Kilo Weizen und dem Terminpreis dafür. Schumann sieht einen direkten Zusammenhang, weil die Landwirte sich bei Verkauf an diesem Börsenpreis orientieren.


Auch die Fondsbranche sieht sich zu Unrecht am Pranger. Knapp fünf Milliarden Euro, nicht einmal ein Prozent des Anlagevermögens der Publikumsfonds in Deutschland haben nach Angaben des Branchenverbands BVI ihr Kapital in Nahrungsmittel oder Rohstoffe gesteckt. Das Geld wandere aber nicht in Weizen oder Mais, sondern in Unternehmen die in dieser Branche tätig sind, beteuert der BVI.


Foodwatch fordert dennoch eine Begrenzung der Spekulation auf Nahrungsmittel an den Börsen. Die Zahl der spekulativen Termingeschäfte sollen begrenzt und Investmenthäuser vom Handel ausgeschlossen werden. Fonds und Zertifikate auf Rohstoffe und Nahrungsmittel will Bode verbieten lassen. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) verhalte sich jämmerlich, weil sie lediglich Daten und Fakten zu den Märkten sammeln wolle statt diese zu regulieren, kritisiert der Foodwatch-Chef.


Dabei gilt die fehlende Transparenz in Fachkreisen als eines der größten Probleme. Niemand weiß, wie viel Getreide, Fleisch oder Öl tatsächlich in den Lägern liegt und welche Mengen wann auf den Markt kommen. Die G-20-Staaten haben beschlossen, diese Aufgabe mit einem weltweiten Informationssystem zu lösen. „Wir wollen den Blindflug beenden“, sagt Aigner, die sich von den Daten Rückschlüsse auf das Marktgeschehen und Ansatzpunkte für ein Eingreifen der Politik bei unerwünschten Entwicklungen erhofft. Dabei soll die ursprüngliche Aufgabe der Terminmärkte, die Händler von Nahrungsmitteln gegen abrupte Preisentwicklungen abzusichern, erhalten bleiben.










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