Frisöre schaffen am längsten

Kaum ein Erwerbstätiger hält bis 65 durch

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Von Wolfgang Mulke

10. Aug. 2010 –

Friseure verdienen zwar vergleichsweise wenig Geld, doch hat der Beruf offenkundig andere Vorteile. Keine Berufsgruppe erträgt den Arbeitsalltag. Fast jeder zweite von ihnen geht erst mit 65 Jahren in den Ruhestand. Das ist ein Rekordwert unter allen von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erfassten Berufsgruppen. Ihre weiblichen Kollegen halten nicht so lange durch. Knapp 30 Prozent der Friseurinnen geht mit 60 in Rente, ein Viertel verabschiedet sich im Alter von 61 bis 64 Jahren.

 

Dagegen müssen viele Arbeiter in körperlich schweren Berufsgruppen schon früh aus dem Erwerbsleben scheiden. Spitzenreiter sind hier die Bergleute, von denen fast die Hälfte vor dem 60. Lebensjahr eine Erwerbsminderungsrente beantragt. Nur jeder neunte schafft das Regelrentenalter von 65 Jahren. Im Bundesdurchschnitt lag das Rentenzugangsalter laut DRV 2009 bei 63,2 Jahren. Männer arbeiten dabei ein halbes Jahr länger als Frauen und in den neuen Ländern gehen die Arbeitnehmer etwas früher in den Ruhestand.

 

Eines ist aber überall in Deutschland ähnlich. Bis zum neuen Rentenalter von 67 Jahren schafft es eine Mehrheit der heute älteren Beschäftigten nicht. Deshalb will die SPD die Rente mit 67 auch erst einmal aussetzen und nach besseren Übergangslösungen für besonders betroffene Berufsgruppen suchen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck plädiert zum Beispiel für ein zusätzliches Rentenkonto. Dieses Guthaben sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber während des Berufslebens anlegen. Wenn ein Dachdecker dann beispielsweise schon mit 60 in den Ruhestand geht, können die dann fälligen Rentenabschläge dann ausgeglichen werden.

 

Denkbar sind auch andere Varianten, die Verluste durch einen zu frühen Renteneintritt auszugleichen. In der Chemiebranche gibt es bereits eine Regelung, bei der die Arbeitgeber für ihre Beschäftigten freiwillig höhere Beiträge an die Rentenversicherung bezahlen und so spätere Abschläge ausgleichen. Eine Sonderregel gilt schon jetzt für alle, die 45 Jahre lang Beiträge zur Rentenkasse entrichtet haben. Sie dürfen sich ohne Abzug vorzeitig aus dem Erwerbsleben verabschieden.

 

Doch alle sozialen Stützen führen nicht daran vorbei, dass die Deutschen tatsächlich länger arbeiten müssen. Dazu fehlen allerdings noch die entsprechenden Jobs. „Es wird niemals genügend altersgerechte Arbeitsplätze geben“, warnt der Chef der Baugewerkschaft, Klaus Wiesehügel, vor Illusionen. Der Blick auf seine Branche lässt tatsächlich Zweifel daran aufkommen. 40 Prozent der Bauleute, die 2009 aufhörten, gingen wegen Erwerbsminderung frühzeitig in den Ruhestand. Deshalb begrüßt die Gewerkschaft die SPD-Forderung, die Rente mit 67 auf Eis zu legen. Doch auch die Sozialdemokraten sind sich in dieser Frage nicht einig, haben sie die Reform doch damals selbst eingeführt.

 

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will an der späteren Rente nicht rütteln. „Die Rente mit 67 kommt auf jeden Fall“, stellt das Ministerium klar. Im November wird von der Leyen einen Zwischenbericht über die Entwicklung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer vorlegen. Dann soll über Nachbesserungen nachgedacht werden. Der erschwerte Berufsausstieg, etwas durch neue Altersteilzeitregelungen, macht sich immerhin schon bemerkbar. In den vergangenen fünf Jahren stieg die Erwerbsquote bei den 60- 64-jährigen von 28 Prozent auf 40 Prozent an, mit weiter steigender Tendenz. Und auch die demographische Entwicklung spricht für neue Beschäftigungsmöglichkeiten der über 60-jährigen. Denn der deutschen Wirtschaft gehen die Fachkräfte aus. Das Interesse der Unternehmen an guten Leuten steigt damit unabhängig von deren Alter. Doch an altersgerechten Jobangeboten mangelt es noch. Es gibt zu wenige flexible Beschäftigungsmöglichkeiten, die den Fähigkeiten Älterer gerecht werden.

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