Fünf Argumente gegen die Energiewende

Und was von ihnen zu halten ist. Angesichts der CO2-Preis-Debatte nimmt die Auseinandersetzung über den Sinn der Energiepolitik wieder zu. Eine Analyse.

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Von Hannes Koch

26. Jul. 2019 –


Klima-Steuer, höherer Benzinpreis, teureres Heizöl. In weniger als zwei Monaten will die Bundesregierung entscheiden, ob so etwas nötig ist, um den hiesigen Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu verringern. Nicht nur dadurch, auch wegen der Greta-Thunberg-Demonstrationen, nimmt die Debatte über die Energiewende an Schärfe zu. Deshalb analysieren wir einige Argumente, die die Gegner der Energiewende äußern.

Weil andere Länder einfach weiterheizen, nützt die Energiewende in Deutschland nichts gegen den globalen Klimawandel.

Tatsächlich verursachen die hiesigen Privathaushalte und Firmen nur einen Bruchteil der globalen Treibhausgase: rund 900 Millionen Tonnen im Vergleich zu 40 bis 50 Milliarden Tonnen weltweit. Selbst die Halbierung der bundesdeutsche Abgase würde den globalen Ausstoß nur in der Größenordnung von einem Prozent verringern.

Hinzu kommt: Während wir uns anstrengen, qualmen die Schlote in anderen Weltgegenden weiter. Indien beispielsweise hat noch gar kein absolutes Reduktionsziel. Die chinesische Regierung verspricht, den Höhepunkt des Ausstoßes bis 2030 zu erreichen. Und die US-Regierung droht aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen auszusteigen.

Warum sollen wir uns also anstrengen? Weil sich quasi alle Staaten der Erde verpflichtet haben, die Erwärmung der Erdatmosphäre auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Dafür müssen sie nationale Pläne aufstellen. Mit den Jahren steigt der Druck, das auch zu tun. Die Bundesrepublik hat dann schon einen guten Teil des Weges hinter sich und wird die Energiewende als Modell in andere Staaten verkaufen.

Die Energiewende ist unökologisch.

Internetseiten wie www.vernunftkraft.de erklären, dass der europäische Emissionshandel die Abgase nicht vermindert, sondern nur in andere Länder verlagert. Was stimmt: Sparen hiesige Firmen Kohlendioxid-Ausstoß ein, können sie Verschutzungszertifikate etwa an polnische Unternehmen verkaufen, die dann mehr emittieren. Allerdings hat der europäische Emissionshandel einen Deckel, der Jahr für Jahr sinkt. Die Gesamtverschmutzung geht insgesamt permanent zurück.

Gegen Windräder führen die Kritiker unter anderem ins Feld, dass ihr Bau natürlichen Boden versiegelt, die Rotoren Vögel schreddern und der Luftdruck die Lungen von Fledermäusen platzen lässt. Gegenargument: Diese ökologischen Schäden sind vermutlich geringer als die Auswirkungen des Klimawandels wie das weltweite Aussterben vieler Pflanzen- und Tierarten und die drohende Überflutung ganzer Küstenregionen.

Eine Hochleistungs- und Wohlstandsgesellschaft wie die deutsche funktioniert nicht ohne Umweltschäden. Es kann nur darum gehen, eine etwas weniger zerstörerische Variante zu entwickeln. Wer anderes will, muss die Bürgerinnen und Bürger überzeugen, auf Bequemlichkeit und materielle Lebensqualität zu verzichten.

Regenerative Energien kosten Arbeitsplätze.

Etwa 80.000 Arbeitsplätze bietet die hiesige Braun- und Steinkohle-Industrie noch – in Bergwerken, Kraftwerken, bei Zulieferern. Diese verschwinden mit dem Kohleausstieg. Auch wenn die deutsche Autoindustrie überlebt, wird sie in 20 bis 30 Jahren vielleicht nur noch 500.000 Stellen aufweisen statt heute rund eine Million – die Fertigung von E-Autos braucht weniger Arbeit.

Solche Zahlen fallen im Vergleich zu insgesamt rund 43 Millionen Arbeitsplätzen aber nicht besonders ins Gewicht. Außerdem entstehen neue Stellen. Laut Bundeswirtschaftsministerium stellte die Branche der erneuerbaren Energien 2016 rund 340.000 Jobs zur Verfügung, Tendenz steigend. Die Energiewende verursacht keine Deindustrialisierung, sondern ist Teil eines Strukturwandels, wie es ihn immer wieder gibt.

Die hohen Kosten gefährden die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Handel, beispielsweise gegenüber China.

Der Ökonom Justus Haucap schätzt die Kosten der Energiewende zulasten der Bürger, Firmen und des Staates auf etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr im Zeitraum 2000 bis 2025. Diese fließen beispielsweise als Förderung an die Produzenten von Ökostrom, in Forschungsprojekte und den Netzausbau. Kritiker halten das für rausgeworfenes Geld, das man sparen könne, wenn Kohle, Öl und Atomkraft weiter genutzt würden.

Allerdings dienen die Mittel dem Aufbau einer neuen Infrastruktur, die auf den teuren Produktionsschritt des Bergbaus weitgehend verzichtet. Deutschland wird künftig kaum noch Geld für Kohle, Öl und Uran ausgeben. Die neuen Produkte (Kraftwerke, digitale Steuerung, Speicher) bedeuten Einnahmen für hiesige Unternehmen. In manchen Techniken muss Deutschland global ganz vorne sein – sonst können wir unseren Wohlstand nicht halten. Und offenbar schadet die Energiewende der Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt nicht: Der bundesdeutsche Leistungsbilanzüberschuss (mehr Exporte als Importe) betrug 2018 rund 260 Milliarden Euro. In den Jahren zuvor war es ähnlich.

Regenerative Energien liefern nur schwankend Strom, aber keine Grundlast.

Rotoren produzieren nur Strom, wenn der Wind weht, Photovoltaikzellen nur, so die Sonne scheint. Damit bei Windstille, bedecktem Himmel und nachts trotzdem genug Elektrizität vorhanden ist, brauchen wir die fossilen Grundlast-Kraftwerke weiterhin – ein unsinniges und teures Doppelsystem.

Künftig jedoch kann Ökostrom wahrscheinlich gut gespeichert werden. Intelligente Steuerung regelt die Nachfrage – nicht jede Fabrik muss durcharbeiten. Aus nötiger Grundlast wird in den kommenden Jahrzehnten „Residuallast“ - die Leistung, die nur im Notfall zur Verfügung stehen muss. Diese können regelbare Gaskraftwerke liefern – ohne Kohle, Öl und Uran.

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