Für die Bahn wird die Hitze teuer

Die Ursachen des Klimadesasters konnte auch ein Treffen im Bundestag nicht klären

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Von Wolfgang Mulke

22. Jul. 2010 –

Der Ausfall der Kühlung in der ICE-II-Flotte wird für die Bahn teuer. Nach einem Klimagipfel der anderen Art im Verkehrsausschuss des Bundestags verbesserte Bahnchef Rüdiger Grube das Schadenersatzangebot an die vom Ausfall der Klimaanlagen betroffenen Fahrgäste noch einmal. Nun erhält jeder Passagier, der durch zu hohe Temperaturen im Zug gesundheitlich beeinträchtigt wurde, 500 Euro Schmerzensgeld. Ein ärztliches Attest ist dafür im Gegensatz zum ersten Angebot nicht nötig.

 

Außerdem will das Unternehmen eine kostenlose Hotline für die Fahrgäste schalten und die Informationen für Reisende verbessern. „Die Weichen sind auf mehr Verbraucherschutz gestellt“, sagte der verbraucherpolitische Sprecher der FDP, Michael Goldmann, der im ICE selbst zwei Mal kräftig ins Schwitzen geriet.

 

„Wir haben eine schnelle, unbürokratische Wiedergutmachung geregelt“, versicherte Grube im Anschluss an die Sitzung. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden für das Unternehmen am Ende sein wird, kann der Vorstand noch nicht beziffern. Es dürfte ein Millionenbetrag zusammenkommen. Denn neben Entschädigungen steht wohl auch eine Generalüberholung der Klimaanlagen an.

 

Das Problem selbst hat die Bahn mittlerweile weitgehend im Griff. In den letzten Tagen fielen nur noch zwei Klimaanlagen aus. Dazu haben nach Angaben eines Sprechers auch genauere Anweisungen an das Zugpersonal beigetragen. So sollen die Zugbegleiter die Anlagen schon früh am Tage auf warme Außentemperaturen einstellen, damit die Anlagen nicht erst spät anlaufen und dann schnell überlastet sind. Auch werden bei großer Hitze und längeren Wartezeiten die Türen auch am Bahnhof geschlossen, damit es in den Waggons kühl bleibt.

 

Der politische Bahngipfel kam den Gründen des neuerlichen Desasters auf der Schiene nicht auf die Spur. „Es sind nicht alle Ursachen geklärt“, bedauerte der Ausschussvorsitzende Winfried Hermann (Die Grünen), der teilweise ausweichende Antworten beklagte. Die Grünen halten die gravierenden Auswirkungen des Kühlproblems für ein Resultat des Sparkurses der Bahn auf dem Weg zum Börsengang. „Bei der Wartung ist extrem geschlampt worden“, glaubt der verkehrspolitische Sprecher der Partei, Anton Hofreiter. Die Hersteller der Züge hätten den ICE bei Außentemperaturen von 42 Grad getestet, ohne dass Mängel an der Klimatechnik beobachtet wurden. Außerdem halte die Bahn zu wenige Reservekapazitäten bereit, die im Notfall eingesetzt werden können.

 

Die Industrie selbst weist jede Schuld von sich, weil die Bahn die Wartung des rollenden Materials selbst übernimmt. Einen offenen Streit um die Qualität der gelieferten Technik vermeiden beide Seiten aber noch. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will in den kommenden Monaten das Eisenbahngesetz ändern. Die Verantwortung für die Technik soll dann nicht mehr allein bei der Bahn liegen. Die Zusammenarbeit zwischen Bahn, Herstellern, Verkehrsministerium und Eisenbahnbundesamt müsse besser werden, sagte der Minister.

 

Auch Ramsauer hatte zuletzt den früheren Bahnchef Hartmut Mehdorn und dessen Börsenpläne für die Schwierigkeiten verantwortlich gemacht. Um die Bilanz aufzupolieren, habe die Bahn an der Wartung gespart. Dieser Vorwurf wurde in den vergangenen Jahren immer wieder laut und nach Aussage der Grünen auch häufig von Mitarbeitern anonym beklagt.

 

Tatsächlich ist es nicht ganz lauter, Mehdorn im Nachhinein als Alleinschuldigen darzustellen. Die Bahnreform wurde 1994 von der Union auf das Gleis geschoben. Die Vorgabe lautete seit dem. Die Bahn muss wirtschaftlich arbeiten und soll später privatisiert werden. Es waren schließlich Verkehrsminister der SPD, die den Börsengang anschoben. Allen voran Wolfgang Tiefensee während der großen Koalition. Den wachsenden Gewinn lobten die großen Parteien gerne. Über die Kritik sahen sie oft hinweg. Als Eigentümervertreter hätte der Bund Mehdorn schon früh auf die Finger klopfen können. Das unterblieb.

 

Nun mehren sich die Stimmen in der Regierung, die mehr Investitionen der Bahn in moderne Technik fordern. Zugleich hat die Koalition aber beschlossen, dem Konzern jährlich eine halbe Milliarde Euro als Pflichtdividende zu entziehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

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