G20 gehen an´s Eingemachte

Die Regulierung der Finanzmärkte beschränkt Gehälter und Gewinne

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Von Hannes Koch

23. Sep. 2009 –

Eine neue und unerwartete Erfahrung machte unlängst Wolfgang Ziebart. Der ehemalige Vorstand des Chip-Herstellers Infineon erhielt die Nachricht, dass seine Pension gekürzt würde. Das Unternehmen ist nicht mehr bereit, Ziebart ab diesem September die gut 500.000 Euro jährlich als Altersgeld zu bezahlen, die einst vereinbart worden waren. Begründung: Die wirtschaftliche Situation der Firma habe sich nach Ziebarts Ausscheiden im Frühjahr 2008 verschlechtert, demzufolge müssten die letzten Gehaltszahlungen aufgrund des alten Vertrages um etwa ein Viertel sinken – und damit auch die Pension.


So wie Ziebart dürfte es künftig einer Reihe von Managern gehen – möglicherweise Ex-Arcandor-Chef Middelhoff und den früheren Vorständen von BMW. Denn das politische Umfeld für die Unternehmen hat sich seit dem Beginn der Finanzkrise stark geändert. So werden die Regierungen der mächtigsten Wirtschaftsnationen (G20) morgen (Freitag) bei ihrem Gipfel in Pittsburgh/USA beschließen, dass die Bonuszahlungen für Bankmanager, die in der Vergangenheit oft Dutzende Millionen betrugen, beschränkt werden. In dieser Logik liegt auch eine Verschärfung des deutschen Aktiengesetzes, die kürzlich in Kraft getreten ist.


Deshalb freute sich Joachim Poss sehr über die Geschichte mit Ziebarts Ruhegeld. Denn nach Einschätzung des Fraktionsvize der SPD ist der Fall Ziebart das erste Beispiel dafür, dass das neue Aktiengesetz wirkt. Darin hat die große Koalition kürzlich festgelegt, dass der Aufsichtsrat die Bezüge des Vorstandes rückwirkend reduzieren soll, wenn sie nicht mehr in einem „angemessenen Verhältnis zur Lage der Gesellschaft stehen“.


Die Gerechtigkeitsdebatte über die horrenden Gehälter von Managern beschäftigt Deutschland schon einige Jahre – ohne die Finanzkrise wäre das Gesetz aber nicht so schnell geändert worden. Und erst recht hätte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht die neuen Möglichkeiten bekommen, die sie jetzt hat. Denn auch BaFin-Chef Jochen Sanio, Deutschlands oberster Bankenaufseher, kann nun, wenn er will, ungerechtfertigt hohe Gehälter und Erfolgsbeteiligungen untersagen.


Das ist ein Anfang – aber der morgige Beschluss der G20 könnte noch mehr ermöglichen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) will erreichen, dass die Bonuszahlungen ein bestimmtes Verhältnis zum Fixgehalt eines Managers nicht überschreiten. Und ein zweiter Ansatz ist im Gespräch: eine feste Relation zwischen Boni und Gewinn. Dass Banken 60 Prozent ihres Profits als Milliarden-Regen über den Wertpapierhändlern und Vorständen niedergehen lassen, wäre dann nicht mehr möglich.


Zwar bleiben auch mit den neuen Regelungen Millionen-Gehälter künftig weiter möglich – eine absolute Obergrenze wird ja nicht eingeführt. Allerdings ziehen die Regierungen die Schraube deutlich an. Der Rechtfertigungsdruck für die Unternehmen steigt. Man darf hoffen, dass Exesse seltener werden. Die Regulierung der Gehälter und Boni ist deshalb nicht überflüssig, sondern auch ein Versuch, die Gerechtigkeitskluft zu verringern.


Die Boni-Frage ist ein Beleg dafür, dass die Regulierung der Finanzmärkte jetzt am Kern der Wirtschaft angekommen ist – beim Profit der Individuen und Unternehmen. Nun geht es an´s Eingemachte. Nicht nur bei den Gehältern, sondern auch bei den Gewinnen der Banken. Axel Weber, Präsident der Bundesbank und Hüter des Systems, sagte unlängst in kleinem Kreis, dass infolge der neuen Regulierung die Renditen sinken und die Geschäftsmodelle der Banken weniger profitabel würden. Diese Äußerung beinhaltete einen Teil Beschwichtigung der kritischen Öffentlichkeit, aber sie war auch eine Beschreibung des Kommenden.


Die Regierungen der G20 werden beschließen, die Geschäfte der Banken zu bremsen. Sie wollen damit die risikoreichen Geschäfte erschweren, die zur Finanzkrise führten. Als Hebel nutzen die Regierungen verschärfte Vorschriften für das Eigenkapital der Institute. Während Banken ihre Geschäfte heute nur mit wenigen Prozent Aktienkapital und Rücklagen absichern müssen, wird diese Quote künftig auf bis zu acht Prozent steigen. Für jedes risikoreiche Geschäft halten die Finanzhäuser dann mehr eigenes Geld in Reserve. Und der Aufbau dieser Kapitalreserve reduziert den frei verfügbaren Gewinn.


Was die G20 da machen, ist also nicht nur Kosmetik. Es kostet die Deutsche Bank, UBS, Barclays, Goldman Sachs und andere Institute Geld. Und reduziert damit das Risiko gefährlicher Spekulationen. Allerdings ist dieser Regulierungsprozess noch in der Schwebe. Konkrete Zahlen für die Höhe des Eigenkapitals gibt es bislang nicht, sie werden auch noch eine Weile auf sich warten lassen. Dies beinhaltet die Gefahr, dass die politische Dynamik nachlässt, Gras über die Krise wächst und die Regulierungsversuche verebben.


Was aber in jedem Fall klar ist, ist dies: Den G20-Regierungen geht es nicht darum, die Gewinne derart einzuschränken, dass aus großen Banken wieder kleine werden. Weder Kanzlerin Angela Merkel noch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy oder US-Präsident Barack Obama wollen den einheimischen Finanzsektor zerschlagen. Der Finanzkapitalismus bleibt intakt. Er wird nur etwas langsamer.

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