Gabriel verschärft den Atomstreit

Umweltminister fordert Änderung des Atomgesetzes. Acht Atomkraftwerke sollen ab 2010 stillgelegt werden, auch das „Krümmel-Monster“. Blieben die AKW in Betrieb, würden Tausende Arbeitsplätze in den erneuerbaren Energien gefährdet

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Von Hannes Koch

10. Jul. 2009 –

Die SPD verschärft die Auseinandersetzung mit der Union über die Atomkraft. Am Freitag forderte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), das Atomgesetz zu ändern. Damit wolle er durchsetzen, dass in der kommenden Legislaturperiode acht Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet würden, sagte Gabriel.


Die aktuelle Atomdebatte wurde ausgelöst durch einen neuerlichen Unfall im Kraftwerk Krümmel des Vattenfall-Konzerns. Während die Union dies als Einzelfall bezeichnet und auf die Verlängerung der Laufzeiten der Anlagen drängt, macht sich die SPD nun für einen schnelleren Ausstieg stark.


Für die Änderung des Atomgesetzes nach der Bundestagswahl bräuchte die SPD eine Mehrheit links von der Union, die sie auf Basis der gegenwärtigen Umfragen allerdings nicht erwarten kann. „Ja, das ist Wahlkampf“, sagte Gabriel. Die SPD positioniere sich gegen die Atomkraft, um eine deutliche Alternative zur Union zu bieten, die der Minister als „verlängerten Arm der Atomlobby“ bezeichnete.


Die Verschärfung des Atomgesetzes beträfe die Atomkraftwerke Biblis A und B, Neckarwestheim 1, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Philippsburg 1 und Krümmel. Diese „alten“ Kraftwerke, die ab 1975 in Betrieb gingen, entsprächen nicht mehr dem modernen technischen Stand, sagte Gabriel. Insgesamt sind hierzulande noch 17 Anlagen in Betrieb.


Der Umweltminister will das Atomgesetz für die Energieunternehmen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW auf mehrere Arten ändern. So soll die Übertragung von Strommengen von einem Atomkraftwerk auf ein anderes eingeschränkt werden. Der von Rot-Grün im Jahr 2000 mit den Firmen ausgehandelte Atomkonsens sieht bisher vor, dass die Unternehmen von Ausnahmen abgesehen relativ frei wählen können, welches Kraftwerk sie früher abschalten und welches sie länger laufen lassen. Künftig würden dagegen nur noch die modernsten AKW am Netz bleiben dürfen.


Zudem will das Umweltministerium umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen bereits alle fünf und nicht wie bisher alle zehn Jahre durchführen lassen. Dies würde die Reparaturkosten und den Druck auf die Betreiber erhöhen, alte Anlagen schneller stillzulegen.


Um seiner polarisierenden Strategie mehr Nachdruck zu verleihen, benutzt Gabriel das Arbeitsplatzargument. Würden die Atomkraftwerke früher abgeschaltet, könnten die Betreiber von Windparks in der Nord- und Ostsee mehr sauberen Strom in die Netze einspeisen. Dies sichere bei Stahl-, Maschinenbau- und Energiefirmen in den strukturschwachen Küstenregionen „mehrere Tausend Jobs“ - „in Bremerhaven 3.500 bis 4.000, in Cuxhaven 1.000“. Umgekehrt würden diese Arbeitsplätze bei den Erneuerbaren Energien gefährdet, wenn die Atomkraftwerke länger Strom produzierten.


Nachdem SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bereits am Donnerstag die endgültige Stilllegung des havarierten Kraftwerks Krümmel gefordert hatte, erklärte Gabriel einen Tag später, wie dies zu bewerkstelligen sei. „Die Überprüfung des technischen Zustandes wird garantiert länger dauern“, sagte der Minister. Man werde das neue „Kerntechnische Regelwerk“ zur Grundlage machen, das schärfere Überprüfungen erfordere. Sei Vattenfall nicht bereit, dies zu akzeptieren, werde man die Stromproduktion des „Krümmel-Monsters“, wenn notwendig, mit einer „atomrechtlichen Weisung“ aus Berlin unterbinden.


Eine Umfrage des Instituts Emnid im Auftrag des Senders N24 ergab derweil, dass 54 Prozent der Bundesbürger die Atomkraft für technisch unsicher halten.

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