Gefährliches Experiment

Kommentar zu Altmaiers Ökoenergie-Reform von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

11. Okt. 2012 –

Bundesumweltminister Peter Altmaier versucht, eine neue politische Kultur zu etablieren. Wann hat man von einem Politiker gehört, der offensiv sagt: Wir können keine Entscheidung treffen, weil wir zu wenig wissen? Mit diesem Argument verweigert sich der Minister einer neuen, übereilten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Altmaiers Vorgehen ist richtig und gefährlich zugleich.


Der Umweltminister wagt eine Gratwanderung. In der emotionalisierten Debatte über die Energiewende tritt er als deren Vorkämpfer auf. Mit dem Vorschlag, den er am Donnerstag unterbreitet hat, will er sie sogar beschleunigen. Die Ansage lautet nun: Bereits 2020, in acht Jahren, werden 40 Prozent des deutschen Stroms aus Ökokraftwerken kommen. Gleichzeitig räumt Altmaier aber ein, nach einem halben Jahr eigener Amtszeit als Chef des Umweltressorts keine schnelle Lösung für das brennende Problem der steigenden Strompreise liefern zu können. Es gibt sie tatsächlich nicht. Deshalb sollte man sein Bemühen, in den kommmenden Monaten mittels eines umfassenden Beteiligungsprozesses eine tragfähige Antwort vorzubereiten, nicht als Aussitzen misinterpretieren.


Für die Regierung bedeutet diese Strategie aber auch: Die Energiewende bleibt eine offene Wunde – bis weit nach der Bundestagswahl. Was wird die Kanzlerin dazu sagen? Reißt Angela Merkel nicht bald der Geduldsfaden? Nein, denn genau dafür hat sie Norbert Röttgen durch Peter Altmaier ersetzt. Er soll sich öffentlich um die Energiewende kümmern, aber bloß kein neues Gesetz vorlegen. Dieses wäre notwendigerweise im Bundestagswahlkampf höchst umstritten und würde der Opposition eine viel größere Angriffsfläche gegen Merkel bieten als ein flauschiger Diskussionsprozess.


Doch der Grat zwischen einer neuen politischen Kultur und Attentismus ist schmal. Peter Altmaier baut gerade ein großes politisches Experiment auf. Dabei besteht die Gefahr, dass das Labor explodiert. Denn weder die Öffentlichkeit, noch der hektische Medienbetrieb sind daran gewöhnt, Entscheidungen reifen zu lassen. Schnell kann es heißen: Der Altmaier redet nur, handelt aber nicht. Es ist gut möglich, dass der Umweltminister sich im kommenden Jahr an den Problemen zerreibt und als lahmer, entscheidungsschwacher Übergangsminister durch den Politikbetrieb treibt. Wie die Geschichte ausgeht, wird man nur dann erfahren, wenn Altmaier selbst ein Gesetz vorlegen und mit einer neuen Regierung nach der Wahl 2013 umsetzen kann.

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