Geld besitzen kann auch zum Problem werden

Mit Bargeld kommen die Banken gegen die Strafzinsen der EZB nicht an. Die Institute haben kaum eine Chancen gegen den Kurs der Zentralbank.

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Von Wolfgang Mulke

18. Mär. 2016 –

 

 

Schon mancher Hinterbliebene wurde bei der Auflösung der Wohnung der verstorbenen Oma unverhofft zum Erben. Aus Misstrauen gegenüber Banken horten immer noch viele Menschen ihr Vermögen zuhause in Keksdosen, zwischen der Bettwäsche oder im Bücherregal und halten dies geheim. Dazu ist Bargeld in gewisser Weise auch gedacht. Es dient schließlich seit jeher nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch zur anonymen Aufbewahrung eines Wertes. Auch deshalb ist der Widerstand gegenüber einer zuletzt diskutierten Abschaffung der Münzen und Scheine gewaltig.

 

Dabei ist das Geld auf dem Konto einer Bank oder Sparkasse viel sicherer und bequemer untergebracht. Dabei spielen ausgerechnet diese Unternehmen momentan mit dem Gedanken, ihre eigenen Guthaben als Bargeld oder Gold zu horten. Der große Versicherungskonzern Munich Re hat zum Beispiel einen zweistelligen Bargeldbestand eingelagert, um den Strafzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) zu entgehen. Die EZB verlangt neuerdings 0,4 Prozent Zinsen für die bei ihr belassenen Guthaben der Finanzwirtschaft. Das kostet die Unternehmen viel Geld. Ende 2015 lagen auf ihren Konten bei der Zentralbank 443 Milliarden Euro. Auf das Jahr gerechnet schlagen selbst diese Minizinsen mit fast 1,8 Milliarden Euro zu Buche. Kein Wunder, dass die Banken möglichst wenig Geld bei der EZB parken wollen.

 

Es ist dennoch völlig unrealistisch, dass Banken und Sparkassen in großem Stil auf Bargeldbestände umsteigen. Allein das Volumen verdeutlicht das Problem. Ein Tresor für alle im Umlauf befindlichen Euro-Scheine müsste 23 Kilometer breit, lang und hoch sein. Aneinandergereiht reichten die sieben Milliarden 50-Euro-Banknoten 24 Mal rund um den Erdball. Bei vielen Millionen Überweisungen täglich ist Bargeld nur hinderlich. "Es müssten täglich Tausende Lastwagen zwischen der EZB und den Banken verkehren“, sagt der Chefvolkswirt des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Michael Wolgast, „das ist nicht machbar."

 

Folglich knurrt die Branche zwar, kann aber nicht wirklich beißen. Denn die EZB sitzt am längeren Hebel. Die Zentralbanker wollen die Banken über die Strafzinsen zu einer stärkeren Kreditvergabe zwingen und so die Konjunktur ankurbeln. Ein komplizierter Mechanismus hilft der EZB dabei, wie ein fiktives Beispiel zeigt. Ein Kunde zahlt morgens 1.000 Euro in bar auf sein Konto ein. Die Bank muss nun zusehen, was sie mit dem Geld macht. Sie kann dafür Wertpapiere kaufen oder es als Kredit verleihen. Sie kann es als Bargeld im Tresor lagern oder auf ihr Konto bei der EZB oder eines bei einer anderen Bank überweisen. Nur gar nichts tun geht nicht, denn eine Bank darf bei sich selbst kein eigenes Konto führen und das Geld dort parken.

 

Wenn keine Kredite nachgefragt werden und Wertpapiere zu riskant sind, schmilzt die Zahl der Möglichkeiten schon deutlich zusammen. Bargeld horten ist teuer. Der Transport, Tresorkapazitäten, das Sicherheitspersonal und vor allem Versicherungsgebühren kosten mehr als die Strafzinsen der EZB. Auf einem Konto bei einer anderen Bank bringen es die Institute auch nicht sehr gerne. Denn wenn diese zahlungsunfähig werden sollte, ist auch die eigene Existenz gefährdet. Also belassen sie es doch bei der EZB und zahlen die Strafzinsen.

 

Die Zentralbank treibt die Bankguthaben mit einem zweiten Instrument immer weiter in die Höhe und erhöht so den Druck auf die Branche. Sie kauft in großen Stile Anleihen an. "Wenn die EZB eine Anleihe bei einem Bankkunden kauft, erhöht dies automatisch das überschüssige Guthaben der Bank", erklärt Wolgast den Mechanismus. So steigt die Geldmenge, die den Banken zur Verfügung steht, rasant an. Ende 2010 lag dieses überschüssige Guthaben bei einer Milliarde Euro. Heute sind es 443 Milliarden Euro und die EZB hat monatliche Ankäufe im Gegenwert von bis zu 80 Milliarden Euro angekündigt.

 

Ob die Rechnung der Zentralbank aufgeht und die Institute tatsächlich so viele Kredite vergeben, dass die Wirtschaft in Euroland wieder kräftig auf Touren kommt, ist noch offen. Banken und Sparkassen versuchen allmählich, den Druck der Strafzinsen auf andere Weise zu mildern und die Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. So erwarten Verbraucherschützer steigende Gebühren zum Beispiel für die Kontoführung und Negativzinsen für besonders vermögende Kunden.

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