Genkartoffel darf auf den Acker

EU lässt Amflora zu / Verwirrung über notwendige Regelungen in Deutschland / Umweltschützer empört

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

02. Mär. 2010 –

Die Europäische Kommission hat die genetisch veränderte Kartoffelsorte Amflora zugelassen. „Es gibt keine wissenschaftlichen Fragen mehr, die untersucht werden müssen“, begründete der zuständige Gesundheitskommissar John Dalli die nach fast siebenjähriger Prüfung erteilte Erlaubnis. Die Sicherheitsbedenken seien ausgiebig berücksichtigt worden. Außerdem gab die EU grünes Licht für die Verwendung dreien Genmaissorten als Lebens- und Futtermittel.


Amflora wurde vom Chemiekonzern BASF entwickelt. Die Gene der Knolle wurden so verändert, dass sie besonders viel Stärke produziert, die ausschließlich industriell verwertet wird, zum Beispiel bei der Herstellung von Papier, Garnen oder Klebstoffen. Für den menschlichen Verzehr ist die Kartoffel nicht geeignet. Dennoch hat sich BASF auch in einem zweiten wichtigen Punkt durchgesetzt. Anfallende Reste könnten in Lebens- und Futtermitteln landen. Der Anteil darf allerdings nicht höher als 0,9 Prozent sein. Die grüne Abgeordnete Ulrike Höfgen kritisiert diese „Verschmutzungslizenz“. Amflora drohe im Kartoffelbrei zu landen. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) rechnet vor, dass damit drei Knollen in einem Sack mit 25 Kilogramm Gewicht gentechnisch verändert sein dürfen, ohne eine Prüfung und Zulassung als Nahrungsmittel.


Bislang gab es in Deutschland noch keinen kommerziellen Anbau der Genkartoffel. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern wurden 20 Hektar Land als Versuchsfelder damit bepflanzt. „Wir gehen nicht davon aus, dass es in diesem Jahr zu einem großflächigen Anbau kommt“, sagt der Genexperte des Deutschen Bauernverbands (DRV), Jens Rademacher. Denn dafür wird die Zeit mehr als knapp. Genfelder müssen drei Monate vor der Aussaat in ein Standortregister eingetragen werden. Wenn die Saat nicht bis zum Mai ausgebracht wird, ist es zu spät. Dagegen will BASF so schnell wie möglich Fakten schaffen. „Nun ist der Weg frei, Amflora in diesem Jahr kommerziell anzubauen“, stellt der Chef der Pflanzensparte des Konzerns, Peter Eckes, fest. Allerdings sollen zunächst nur Saatgutkartoffeln in kleinem Stile gezogen werden. Zudem will das Unternehmen wohl freiwillig auf eine Verwendung der Reste als Futtermittel verzichten und sie stattdessen in Biogasanlagen einsetzen.


Die Genkartoffel ist unter anderem umstritten, weil die Pflanze ein Gen enthält, das gegen Antibiotika resistent ist. Außerdem verweisen die Kritiker auf konventionell gezüchtete Sorten auf dem Markt, die ebenfalls einen hohen Stärkegehalt aufweisen. Trotz der Bedenken will Agrarministerin Ilse Aigner den Anbau unterstützen. Das hatten Union und FDP bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Zugleich soll die letzte Entscheidung über den Anbau bei den Bundesländern liegen, die eigenständig zum Beispiel Abstände zu anderen Felder öder andere Sicherheitsbestimmungen erlassen können.


Die Gesetzeslage ist derzeit noch verwirrend. Es gibt ein Gentechnikgesetz, nach dem Amflora jetzt auf die Felder gebracht werden dürfte. EU-Kommissar Dalli will bis zum Sommer eine Regelung schaffen, die den Mitgliedsländern der Gemeinschaft mehr Entscheidungsfreiheit für den Einsatz der grünen Gentechnik verschafft. Auf welcher Grundlage die Bundesländer in Deutschland eigenständige Vorgaben erstellen sollen, ist noch offen. Wichtige Vorgaben wie die Abstände zu anderen Felder sind lediglich für Gen-Mais gegeben worden. Für Kartoffeln fehlt eine Definition der „guten fachlichen Praxis“ noch.




 






« Zurück | Nachrichten »