Gesetz für Menschenrechte bei Zulieferern
Hiesige Unternehmen sollen die Rechte der Beschäftigten in ihren ausländischen Fabriken garantieren, fordern Umwelt- und Entwicklungsorganisationen. Arbeits- und Entwicklungsminister positiv, Wirtschaftsminister skeptisch.
14. Feb. 2020 –
Die Globalisierung ist für deutsche Unternehmen auch deshalb so praktisch, weil sie einen Teil ihrer Produktion aus dem Wirkungsbereich hiesiger Gesetze auslagern konnten. Armutslöhne, baufällige Fabriken, Umweltschäden – in China, Bangladesch, Pakistan, Kambodscha, Uganda oder Peru kommt man damit eher durch als in Europa. Die „Initiative Lieferketten-Gesetz“ will das nun ändern, indem sie die Bundesregierung unter Druck setzt, die Menschenrechte in ausländischen Zulieferfabriken einheimischer Firmen gesetzlich zu schützen.
In der Initiative kooperieren unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund, Entwicklungs- und Umweltverbände wie Oxfam, Greenpeace, Germanwatch, die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt, sowie die Menschenrechtsanwälte der Organisation ECCHR. Sie wollen weltweit ökologische, soziale und politische Rechte für die Beschäftigten und Anwohner der Zulieferindustrie durchsetzen.
Anlass sind solche Zustände und Katastrophen: Über 1.000 Menschen starben, als 2013 der Fabrikkomplex Rana Plaza in Bangladesch einstürzte. Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in Asien erhalten Löhne, die für ihre Familien nicht ausreichen. Über 260 Menschen wurden getötet, als 2019 der Staudamm eines Bergbausees in Brasilien brach, den der deutsche TÜV zuvor als stabil bezeichnet haben soll.
Das Gesetz würde einem Rechtsgutachten zufolge alle großen und kleinen Unternehmen in Deutschland binden, die Produkte im Ausland einkaufen oder dort fertigen lassen, sagte Franziska Humbert von Oxfam. Ähnliche Vorschriften gebe es bereits in Frankreich und anderen Staaten. Beispielsweise im Handelsgesetzbuch (HGB) könnte festgelegt werden, dass jede Firma die menschenrechtlichen Risiken in ihrer Lieferkette analysieren muss. Außerdem sollen die Unternehmen diese Risiken ausschalten, indem sie etwa mit den Zulieferern vereinbaren, bessere Löhne zu zahlen. Darüber hinaus müssten sie auch öffentlich Rechenschaft ablegen. Schließlich wären sie gehalten, Beschwerdemechanismen einzuführen, damit die ausländischen Beschäftigten ihre Anliegen in Deutschland vorbringen können.
Sanktionen im Falle von Vorstößen fordert die Initiative ebenfalls. Laut ECCHR-Jurist Christian Schliemann wären das Bußgelder, die deutsche Behörden verhängen könnten. Vor allem aber will man zivilrechtliche Klagen von Betroffenen vor hiesigen Gerichten ermöglichen und erleichtern. Unternehmen, ihre Eigentümer und Kapitalgeber müssten dann mit Schadensersatzforderungen rechnen.
Einen Entwurf für ein solches Gesetz hat bereits auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) erarbeiten lassen. Nun ist ein gemeinsamer Text mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Vorbereitung. Während einige Unternehmen wie Nestle, KiK, Ritter Sport, Tschibo und Hapag-Lloyd das Vorhaben unterstützen, ist Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) skeptisch. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lehnt ein Gesetz ab.
Vorher will die Regierung aber noch überprüfen, ob die Unternehmen ihren Verpflichtungen auch ohne Gesetz nachkommen. Mit einer Umfrage unter den 7.100 größten bundesdeutschen Firmen wird zur Zeit kontrolliert, ob diese die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte der Regierung einhalten. Die erste Runde der Befragung deutete daraufhin, dass das nicht funktioniert. Wahrscheinlich folgt bald eine zweite Umfrage. Bis zum Sommer diesen Jahres sollte klar sein, ob die Voraussetzungen für ein Lieferketten-Gesetz bestehen. Dann ist allerdings die Frage, ob die Bundesregierung noch die Kraft hat, ein solch umstrittenes Vorhaben auf den Weg zu bringen.