Gewerkschaft kämpft gegen Arbeitsstress
IG Metall will Schutz vor Stress im Job gesetzlich verankern/ Arbeitsministerium prüft Handlungsbedarf
27. Jun. 2012 –
Die IG Metall macht Druck gegen Hektik am Arbeitsplatz. Mit einer „Anti-Stress-Verordnung“ wollen die Gewerkschafter dafür sorgen, dass psychischen Belastungen im Job Einhalt geboten wird. „Gute Arbeit braucht klare Regeln“, sagte der Vorstand der Gewerkschaft Hans-Jürgen Urban, bei der Vorstellung des Regelkatalogs am Mittwoch in Berlin. Das Recht müsse an die neuen Probleme und Herausforderungen der Arbeitswelt angepasst werden.
Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz sind in den vergangenen Jahren immer mehr zum Problem geworden. Laut Krankenstand-Statistik des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen verursachen seelische Leiden mittlerweile jeden achten Krankheitstag. Im Jahr 2010 verursachten sie 12 Prozent aller Fehltage. Allein in den ersten drei Quartalen 2011 stiegen die Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen um 13,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr an.
Die Rechtsvorschriften, die Arbeitnehmer vor Hektik im Job oder Burnout zu schützen, gehen den Metallern nicht weit genug. „Anders als in Gefährdungsbereichen wie bei Gefahrstoffen, Lärm oder mangelnder Beleuchtung fehlen ausgerechnet im Gefährdungsbereich der psychischen Belastungen klare und konkrete Regeln“, so Urban. Eine „Anti-Stress-Verordnung“ würde dies ändern.
Unternehmen müssten zum Beispiel dafür sorgen, dass das Schichtsystem „der Gesundheit zuträglich“ ist. Sie müssten vermeiden, dass Arbeitnehmer durch Smartphones oder Laptops dauerhaft erreichbar sind. Ebenso bekämen Mitarbeiter, die an Projekten arbeiten, besseren Schutz. Verantwortliche prüfen dann, ob ein Projekt „ohne gesundheitliche Beeinträchtigung“ realisierbar ist.
Ohne das Zutun der Regierung wird sich am Arbeitsschutz jedoch so schnell nichts ändern. „Das Bundesarbeitsministerium muss eine entsprechende Verordnung erlassen“, erläutert Urban. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vorschlag der Gewerkschafter bereits auf dem Tisch.
Mit Gewerkschaften, der Wissenschaft und anderen Teilnehmern sei man im Gespräch, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Man prüfe, ob eine neue Verordnung das Problem beheben könne, oder ob bestehende Gesetze nicht ausreichten. Tatsächlich gebe es „Erkenntnislücken“ was den psychischen Arbeitsschutz betreffe.
Arbeitgeber halten eine „Anti-Stress-Verordnung“ für überflüssig. „Die gesetzlichen Regelungen zum Arbeitsschutz reichen vollkommen aus“, sagt ein Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Zudem spiele betriebliches Gesundheitsmanagement für die deutschen Unternehmen bereits eine große Rolle.
Arbeitsschutz: Mangelnde Kontrolle
Laut Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitgeber rechtlich verpflichtet, für die Gesundheit und Sicherheit ihrer Belegschaften Sorge zu tragen. Das Arbeitszeitgesetz legt zudem Höchstgrenzen für die werktägliche Arbeitszeit fest, regelt Ruhepausen zur Unterbrechung der Arbeitszeit, bestimmt tägliche Mindestruhezeiten und verbietet grundsätzlich Sonn- und Feiertagsarbeit.
Ob die Unternehmen sich an diese Spielregeln halten, müssen allerdings die Gewerbeaufsichtsämter der Länder sicherstellen. Angesichts des Personalabbaus gibt es nach Ansicht von Gewerkschaftern allerdings nur selten Kontrollen. Die Überprüfung der psychischen Belastung fände kaum statt.