Gift im Schnuller

BUND findet hormonell wirkenden Schadstoff in Babysaugern

Teilen!

01. Okt. 2009 –

Zuletzt steckte Gift im Spielzeug, jetzt steckt es in Schnullern. Der Industrie scheint die Gesundheit der Kleinsten unserer Gesellschaft reichlich egal zu sein: Viele Babysauger sind mit der Chemikalie Bisphenol A

belastet. Das hat eine Untersuchung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ergeben. „Bisphenol A führt zu Störungen in der Entwicklung von Kindern“, sagte Ibrahim Chahoud, Toxikologe an der Berliner Universitätsklinik Charité, am Donnerstag in Berlin. Der Stoff steht unter Verdacht, Unfruchtbarkeit und Brustkrebs hervorzurufen. Die Umweltschützer sprechen von einem Skandal.

 

Zehn Markenschnuller hatten die Tester unter die Lupe genommen: In allen Proben fanden sie den hormonell wirkenden Schadstoff, sowohl im Kunststoffschildchen als auch an dem daran befestigten Sauger. Das meiste Biosphenol A – zwischen 200 und fast 2.300 Milligramm pro Kilogramm –

steckte in neun Schnullern deren Platten aus Polycarbonat-Kunststoff gefertigt sind. Besonders hohe Konzentrationen wiesen die Fabrikate AVENT (Philips), NUK (Mapa) und Dentistar (Novatex) auf. Dieses Ergebnis ist nicht verwunderlich, denn bei der Herstellung von Polycarbonat wird Biosphenol A verwendet. Bei den Herstellern sieht der BUND nun Handlungsbedarf: „Wir erwarten von den Firmen, dass sie ihre Produktion umstellen und künftig auf Biosphenol A verzichten“, sagt Chemieexpertin Patricia Cameron. Schließlich gäbe es Alternativen.

 

Über die Reaktion des dm-drogeriemarkts dürften sich die Umweltschützer freuen: Demnächst beginnt die Kette ihre Beruhigungssauger aus dem neuen Kunststoff Tritan zu fertigen. Die Firma Novatex wird Mitte September in Österreich Schnuller ohne Biosphenol-A-Kunststoffe ausliefern.

 

Doch nicht nur in den Plastikschildchen der Schnuller wurden die Tester fündig. Auch in den Saugteilen lauert der Schadstoff. Hohe Biosphenol-A-Konzentrationen von 80 bis 400 Milligramm pro Kilogramm wiesen sowohl die Latex-Schnuller Babysmile (Schlecker), Dentistar, Babylove (dm-drogeriemarkt) und NUK als auch AVENT, einer der sechs untersuchten  Silikon-Schnuller, auf. Als „extrem alarmierend“ bezeichnen die Umweltschützer dieses Ergebnis. Schließlich benötige es kein Biosphenol A bei der Herstellung beider Stoffe.

 

Darüber wie die Chemikalie in Latex und Silikon gelangt, kann man beim BUND nur spekulieren. Einerseits könnte es möglich sein, dass der Stoff aus den Hartkunststoff-Schildchen in den weichen Saugteil übergeht. Andererseits könnte es auch möglich sein, dass Biosphenol A bereits den Ausgangsmaterialien beigemengt wurde. „Der Handel ist sich des Problems nicht bewusst gewesen“, erklärt Cameron. Das hätten Anfragen bei den Unternehmen gezeigt. Nun seien die Hersteller gefragt, aufzuklären, wie der Schadstoff in die Sauger gelangen konnte.

 

Biosphenol A steht unter  Verdacht, Unfruchtbarkeit, Schädigungen der Gehirnentwicklung und Brustkrebs hervorzurufen. Auch für die verfrühte Geschlechtsreife bei Mädchen, Übergewicht, Diabetes und Spermienrückgang sei die Chemikalie verantwortlich, so die BUND-Experten. Zwar habe die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einen Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht für die tägliche Aufnahme des Stoffes festgelegt. Jedoch gäbe es keine Studien darüber, wie viel Biosphenol A ein Kleinkind aufnimmt, wenn es beispielsweise 15 Stunden am Tag am Nuckel saugt. „Der Wert wird nicht niedrig sein“, prognostiziert Chahoud. Der Toxikologe sieht dringend Forschungsbedarf.   

 

 

« Zurück | Nachrichten »