Greenpeace gegen VW

2030 soll bei Verbrennern Schluss sein

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Von Björn Hartmann

09. Jan. 2023 –

Für VW beginnt das Jahr 2023 vor Gericht. Es geht um das Geschäftsmodell des Konzerns, darum, wann der zweitgrößte Autobauer der Welt keine Verbrenner mehr herstellt, und um den Klimawandel. Große Themen also soll das Landgericht Braunschweig am kommenden Dienstag (10. Januar) verhandeln. Wobei nicht klar ist, ob es die Klage gegen das Unternehmen überhaupt annimmt.

Clara Mayer, aktiv bei Fridays for Future, sowie Roland Hipp und Martin Kaiser, beide Geschäftsführer bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace, sehen sich, sehr vereinfacht gesagt, durch das Handeln VWs in ihren Gesundheits- und Freiheitsrechten eingeschränkt. Sie forderten den Konzern deshalb im September 2021 auf, sein Geschäftsmodell zu ändern. Bisher will VW 2030 rund 60 Prozent Elektroautos in der EU verkaufen, weltweit mindestens die Hälfte aller Autos. 2035 sollen in der EU nur noch E-Autos im Angebot sein. Spätestens 2050 will der Konzern bilanziell CO2-neutral sein.

Den Klägern reicht das nicht aus. Spätestens 2030 soll der Konzern keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr herstellen, vorher schon den CO2-Ausstoß verringern. Weil sich VW nicht darauf einließ – immerhin ein sehr tiefer Eingriff in die unternehmerische Freiheit –, klagten Hipp, Kaiser und Mayer im November 2021. Die Deutsche Umwelthilfe unterstützt die drei. Am Dienstag muss das Landgericht Braunschweig über das weitere Vorgehen entscheiden.

Roda Verheyen vertritt die drei Kläger. Die Anwältin war schon an der Klage beteiligt, die die Bundesregierung 2021 zwang, das Klimaschutzgesetz zu verschärfen und die Folgen der Politik für künftige Generationen stärker zu berücksichtigen. Sollte die Klage angenommen werden, wird das Verfahren wohl durch alle Instanzen laufen. Die Kläger hoffen auf ein spektakuläres Urteil wie im Mai 2021 gegen Shell. Ein niederländisches Gericht in Den Haag verurteilte damals den Ölkonzern, die CO2-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2019 zu verringern – die eigenen und die seiner Kunden.

Auf 125 Seiten legen die Kläger dar, warum VW aus ihrer Sicht nicht so weitermachen kann. Sie haben berechnet, dass VW 2018 allein einen CO2-Ausstoß von 582 Millionen Tonnen zu verantworten hatte, etwa ein Prozent des gesamten Weltausstoßes und mehr als der von Australien (527 Millionen Tonnen). Die Zahl schließt die CO2-Menge ein, die VW in eigenen Werken ausstößt, die CO2-Menge, die zum Beispiel entsteht, wenn Strom für ein VW-Werk erzeugt wird, und die CO2-Menge, die unter anderem dadurch in die Luft geblasen wird, dass Autokäufer ihre Fahrzeuge auch nutzen. Hier ist auch Kohlendioxid aus Logistik, Anlagenbau und ähnlichem erfasst.

Die erste Menge kann VW beeinflussen, die zweite indirekt, das Fahrverhalten der Kunden aber eher nicht. Und gerade dieser Posten macht den weitaus größten Teil des CO2-Austoßes aus. Im Konzern sieht man sich deshalb zu Unrecht beschuldigt.

VW hofft, dass das Gericht die Klage nicht zulässt. Fraglich ist zum Beispiel, ob der Konzern überhaupt die richtige Adresse ist. „Es ist Aufgabe des demokratisch gewählten Gesetzgebers, den Klimaschutz mit seinen weitreichenden Auswirkungen zu gestalten“, erklärt der Konzern. „Auseinandersetzungen vor Zivilgerichten durch Klagen gegen einzelne dafür herausgegriffene Unternehmen sind dagegen nicht der Ort und das Mittel, um dieser verantwortungsvollen Aufgabe gerecht zu werden.“ Volkswagen stehe für Klimaschutz und eine schnelle Dekarbonisierung des Verkehrssektors, könne diese Herausforderung aber nicht allein bewältigen. „Die Transformation kann nur gelingen, wenn die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden: durch staatliche Regulierung, technologische Entwicklung und Nutzerverhalten.“

Die Klage vor dem Landgericht Braunschweig ähnelt der eines Biolandwirts aus dem Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen. Ulf Allhoff-Cramer will VW zwingen, Verbrenner früher aus dem Programm zu nehmen, als der zweitgrößte Autobauer der Welt bisher plant. Allhoff-Cramer sieht sich „durch übermäßige CO2-Emissionen in zentralen Rechtsgütern wie Eigentum, Gesundheit und dem Recht auf Erhalt treibhausgasbezogener Freiheit verletzt“. VW soll den Klimawandel nicht mehr befeuern und Allhoff-Cramers Acker und Wald bei Detmold im östlichen Nordrhein-Westfalen dadurch indirekt zerstören. Die Deutsche Umwelthilfe unterstützt den Biobauern bei seiner Klage. Nach dem ersten Termin vor dem Landgericht Detmold im Mai 2022 legte Allhoff-Cramer im November noch einmal nach. Die nächste Verhandlung ist für den 3. Februar angesetzt.

Mit einer Klage gegen Mercedes-Benz sind Barbara Metz, Sascha Müller-Kraenner und Jürgen Resch, alle drei Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, im September 2022 beim Landgericht Stuttgart gescheitert. Es ließ die Klage nicht zu, unter anderem, weil sie der verfassungsrechtlichen Aufteilung zwischen Gesetzgeber, also dem Bundestag, und der Rechtsprechung, also den Gerichten, widerspricht.

Auch BMW haben die Klimaschützer vor Gericht gebracht. In diesem Fall klagten Metz und Resch. Der Autobauer soll wie VW gezwungen werden, bereits 2030 keine Verbrenner mehr weltweit zu verkaufen. Das Landgericht München hatte bereits am 15. November mündlich über die Klage verhandelt. Es deutete an, dass sie unbegründet ist – im Kern ist zunächst der Gesetzgeber gefragt, eine zivilrechtliche Klage demnach nicht der richtige Weg zur Klimaneutralität. Wie es entschieden hat, will das Gericht am 7. Februar verkünden.

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