Grenzenlose Summen
Frankreich und Italien wollen den Europäischen Rettungsfonds zur Bank aufwerten
31. Jul. 2012 –
Die bisherigen Schritte, um die Euro-Krise zu beenden, reichen offenbar nicht aus. Zu dieser Einschätzung scheinen die Regierungen Frankreichs und Italiens, sowie Ratsmitglieder der Europäischen Zentralbank zu kommen. Deshalb werde dort nun erwogen, dem Europäischen Stabilitätsfonds unbegrenzte Geldsummen zur Verfügung zu stellen, berichtet die Süddeutsche Zeitung.
Eine Möglichkeit, dies zu tun, bestünde darin, dem künftigen Stabilitätsfonds ESM eine Banklizenz zu verschaffen. Auf dieser Basis dürfte er Kredite bei der Zentralbank aufnehmen, um Staatsanleihen bedrohter Länder zu kaufen und damit die gefährlich hohen Zinsen zu drücken. Die Erwägung, die bereits vor Monaten im Raum stand, wird wohl tatsächlich angestellt. Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wies den Plan gestern jedenfalls offiziell zurück: „Dafür sehen wir keine Notwendigkeit. Wir führen auch keine Gespräche zu dem Thema.“
Politiker von Union und FDP lehnten die Banklizenz ebenfalls ab. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle bezeichnete sie als „Inflationsmaschine und Vermögensvernichtungswaffe“. CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle sagte, es habe keinen Sinn, „täglich über Ideen zur Lösung der Eurokrise zu spekulieren“. Eine Banklizenz für den ESM werde eine „weitere unbegrenzte Vergemeinschaftung von Staatsschulden durch die Hintertüre ermöglichen“, kritisierte Hans Reckers, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Öffentlicher Banken.
Den Erwägungen zur Banklizenz des ESM liegt die Analyse zugrunde, dass die bisherigen Maßnahmen gegen die Krise keinen dauerhaften Erfolg hatten. Bisher stellten die europäischen Regierungen mit Hilfe verschiedener Mechanismen Milliarden-Summen bereit, um vom Staatsbankrott bedrohte Euro-Staaten zu unterstützen. Dieses Geld stammt zum wesentlichen Teil aus Krediten, die mit Steuermitteln zurückbezahlt werden müssen. Das ist der Grund, warum die Summen zwar erstaunlich hoch, schließlich aber doch begrenzt sind. Dem Stabilitätsfonds ESM stehen 700 Milliarden Euro zur Verfügung.
Dass solche Summen ausreichen, um Staaten wie Spanien und Italien vor der Pleite zu bewahren, bezweifeln hingegen internationale Investoren, Banken und Fonds. Wenn sie Staatsanleihen der betreffenden Länder kaufen und ihnen damit Kredit geben, verlangen sie daher hohe Zinsen. Spanien musste jüngst über sieben Prozent zahlen. Solche Kosten treiben die Staaten aber erst recht in die Pleite – die Krise verschärft sich.
Die Banklizenz für den ESM wäre nun ein Weg, das Problem zu lösen. Wenn der Stabilitätsfonds selbst Kredite bei der Zentralbank aufnehmen darf, stehen ihm im Prinzip unbegrenzte Summen zur Verfügung. Schließlich gibt die Zentralbank das Geld selbst heraus und druckt die Euro-Scheine.
Die Kritiker einer allzu laxen Politik sitzen jedoch nicht nur in der Bundesbank und der deutschen Regierungskoalition. Auch die Regierungen anderer Euro-Staaten warnen. Kritische Stimmen kommen unter anderem aus Holland und Finnland. Sie führen vor allem zwei Argumente ins Feld. Erstens sei es der Zentralbank durch die Europäischen Verträge verboten, Regierungen zu finanzieren. Ihre Aufgabe sei ausschließlich die Geldwertstabilität. Zweitens gerate genau diese in Gefahr: Möglicherweise steige die Inflation, wenn gigantische Summen auf die Märkte gepumpt würden.
Ob und wann eine Entscheidung zur Banklizenz des ESM fällt, ist nicht abzusehen. Allerdings kann es sehr schnell gehen. Den Regierungen und der Zentralbank ist offenbar klar, dass sie das Problem jetzt am Beispiel Spaniens lösen müssen. Denn sollte Madrid fallen, wäre als nächstes Rom an der Reihe. Die bisher ausgelobten Summen aber reichen für die dauerhafte Stabilisierung der großen Euro-Staaten nicht aus.