Griechenland steht kurz vor der Staatspleite

Die Regierung in Athen hat Europa nun doch um finanzielle Hilfe gebeten. Drohen jetzt der Staatsbankrott und eine neue Krise auch in Deutschland? Die wichtigsten Fragen und Antworten

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Von Hannes Koch

23. Apr. 2010 –

In den vergangenen 200 Jahren konnte Griechenland fünf Mal seine Schulden nicht bezahlen, zuletzt 1932. Das schreiben die US-Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff in ihrer neuen Geschichte der Finanzkrisen mit dem Titel „Dieses Mal ist alles anders“. Nun steht das Mittelmeerland erneut knapp vor der Zahlungsunfähigkeit. Am Freitag bat Ministerpräsident Giorgos Papandreou die EU-Staaten und den Internationalen Währungsfonds (IWF) um die grundsätzlich bereits zugesagten Finanzhilfen von bis zu 45 Milliarden Euro.


Wieso kam der Hilferuf jetzt so schnell?

Am Donnerstag veröffentliche die europäische Statistikbehörde Eurostat eine neue Berechnung des griechischen Haushaltsdefizits. Der tatsächliche Fehlbetrag für 2009 stieg demnach noch einmal an – auf 13,6 Prozent. Als Reaktion stufte die Rating-Agentur Moody's die Kreditwürdigkeit des Landes herab. Die Folge: Der Risikoaufschlag für eine zehnjährige Staatsanleihe stieg bis auf 8,5 Prozent. Die Regierung rechnete damit, bald noch höhere Zinsen an die Käufer ihrer Staatsanleihen zahlen zu müssen.


Was bedeuten so hohe Zinsen für Athen?

Einen zunehmend größeren Anteil der ohnehin knappen Steuereinnahmen müsste die Regierung in den kommenden Jahren für Kreditzinsen ausgeben. So fräßen diese Kosten des Schuldendienstes den Staatshaushalt allmählich auf. Um dem zu entgehen, hat die griechische Regierung nun um Finanzhilfe gebeten. Die Europäische Zentralbank und der IWF müssen jetzt entscheiden, ob dies tätsächlich der letzte vernünftige Ausweg ist (ultima ratio). Die Antwort dürfte „Ja“ lauten.


Was zahlt Deutschland?

Die Staaten der Eurozone werden Griechenland koordinierte Kredite mit rund fünf Prozent Zinsen bei dreijähriger Laufzeit geben. Der deutsche Anteil von maximal 8,4 Milliarden Euro kommt von der öffentlichen KfW-Bankengruppe. Die Bundesregierung übernimmt die Garantie. Das kostet erstmal gar nichts – vorausgesetzt, Griechenland zahlt das Geld irgendwann mit Zinsen zurück.


Wie wirken die Hilfskredite?

Sie signalisieren den Investoren an den Finanzmärkten, dass Athen in jedem Fall Geld zu vernünftigen Konditionen bekommt und nicht in der Gefahr der Staatspleite schwebt. Folglich sank am Freitag der Risikoaufschlag für griechische Staatspapiere.


Ist dann alles gut?

Nein. Nach einem Bericht des Wall Street Journal rechnet Bundesbankpräsident Axel Weber damit, dass ein einziges Kreditpaket nicht ausreicht, sondern der Mittelmeerstaat Hilfen von insgesamt bis zu 80 Milliarden Euro benötigt.


Wieso braucht Griechenland eventuell noch mehr Kredite?

Das Wirtschaftsmagazin Economist hat ausgerechnet, dass die griechische Staatsverschuldung trotz der ersten Hilfstranche auf bis zu 149 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2014 ansteigen könnte. Eine solche Schuldenlast ist für ein Land, das in einer Wirtschaftskrise steckt und wenig Steuereinnahmen erzielt, ohne fremde Hilfe kaum zu finanzieren.


Gibt es eine Alternative zu weiterer Hilfe?

Ja, Athen könnte seine Staatsschulden umstrukturieren. Das ist eine vornehme Umschreibung für die Zahlungsunfähigkeit, vulgo den Staatsbankrott. In diesem Fall würde die Regierung ihren Gläubigern erklären, dass sie leider ihre Staatsanleihen bei Fälligkeit nicht mehr zum versprochenen Wert zurückkaufen oder die Zinsen nicht länger zahlen kann. Die Investoren, Banken und Pensionsfonds müssten dann auf einen gewissen Teil ihrer Forderungen verzichten. Sie würden teilweise enteignet. Mit dieser Variante rechnet beispielsweise Daniel Gros vom Center for European Policy Studies.


Wäre das eine Katastrophe?

Nicht unbedingt. Dass Staaten ihre Zahlungsunfähigkeit erklären, kommt häufig vor. Reinhart und Rogoff beschreiben Dutzende Beispiele. Als Uruguay 2003 seine Schulden restrukturierte, mussten die Besitzer der Staatspapiere nur auf 13 Prozent des Wertes verzichten. Die Erleichterung reichte aber, um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Regierung wiederherzustellen.


Wäre eine griechischer Staatsbankrott gefährlich für Deutschland?

Deutsche Banken halten griechische Staatspapiere im Wert von etwa 15 bis 30 Milliarden Euro. Sollte ein Teil dieser Zahlungen ausfallen, müssten die Institute den entsprechenden Wert abschreiben. Das würde ihr Eigenkapital reduzieren, und damit auch ihre Fähigkeit, Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Außerdem könnten sich erneut Banken an die Bundesregierung wenden, weil sie ihre Verluste nicht selbst zu tragen in der Lage sind. Um all das zu vermeiden, wird die Bundesregierung gerne bereit sein, Griechenland weitere Kredite zu geben.

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