Große Koalition gegen „Schnitzel-Patente“

Aigner will Kontrolle der Konzerne über Nutztiere und –Pflanzen verhindern / Bald wird entschieden, wie weit Biopatente gehen dürfen

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Von Wolfgang Mulke

27. Jun. 2010 –

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) will weitgehende Patentrechte an Tieren und Nutzpflanzen verhindern. „Die Schöpfung gehört allen Menschen“, stellt die Ministerin klar. Exklusive Rechte oder die Kontrolle dürften nicht einzelnen Personen oder Unternehmen eingeräumt werden. Diese Position will Aigner nun auch in der EU und beim Europäischen Patentamt (EPA) durchsetzen. Denn dort stehen weit reichende Entscheidungen an.

 

Es geht zum Beispiel um das so genannte Broccoli-Patent über das in der Beschwerdekammer des EPA am 20. Juli verhandelt wird. Das Gemüse mit der Patentnummer EP 1069819 enthält als Neuerung Inhaltsstoffe, die gegen Krebszellen wirken. Das Unternehmen, das diese Pflanze gezüchtet hat, will sicht nicht nur die Rechte an der Pflanze sichern, sondern auch an den Samen. So würde für jeden später daraus erzeugte Broccoli eine Lizenzgebühr fällig. Aufsehen erregt in der Vergangenheit auch ein Patentantrag des Unternehmens Monsanto für Schweine, die mit Gen-Soja des US-Konzerns gefüttert wurden. Die Verwertungsrechte daran sollten letztlich bis zum Schnitzel reichen. „Die Ansprüche reichen von Futtermitteln für Tiere bis hin zu Lebensmitteln wie Fleisch, das von diesen Tieren gewonnen wird“, heißt es in einem Entschließungsantrag der SPD, die ebenso wie die Grünen in diesem Punkt weitgehend mit Aigner übereinstimmen. „Das Patentrecht wird in den letzten Jahren als ein Werkzeug benutzt, das ganz wenigen ganz viel sichert“, kritisiert der SPD-Experte Matthias Miersch diese Entwicklung.

 

Die Rechtslage ist kompliziert. Die Patentierung von Tierrassen und Pflanzensorten ist in Europa zwar verboten. Doch bei Tieren und Pflanzen selbst sieht das schon anders aus. Auf einzelne Gensequenzen in Getreide oder Obst oder besonders leistungsstarken Milchkühen können zum Beispiel Schutzrechte zugesprochen werden. So wird das generelle Verbot umgangen. Das will Aigner nicht hinnehmen. „Wir können neue Verfahren bei Pflanzen und Tieren nicht wie sonstige technische Verfahren behandeln“, sagt die Ministerin. In dieser Woche steht das Thema auch auf der Tagesordnung des Bundestags.

 

Neben den ethischen Bedenken geht es um handfeste wirtschaftliche Interessen. Auf der einen Seite steht eine handvoll Weltkonzerne, die mit Patenten ein Milliardengeschäft machen will. Das US-Unternehmen Monsanto klagt beispielsweise beim Europäischen Gerichtshof, weil argentinische Farmer für die Nutzung von Sojasaaten keine Lizenzgebühren entrichten. Monsanto will erreichen, dass sein Anspruch beim Import des Soja in die EU eingetrieben wird. Die Verhandlung steht bald an. Im Spiel ist auch die BASF, die auf hohe Investitionen in die Entwicklung neuer Pflanzeneigenschaften verweist. „Das Patentsystem ermöglicht einen gerechten Ausgleich für die Investitionen“, verteidigt ein Sprecher Biopatente. Das Unternehmen sieht daher keinen Bedarf für eine Änderung des geltenden Rechts.

 

Kritiker befürchten dagegen eine Monopolisierung der Nahrungsmittelproduktion mit steigenden Preisen für Landwirte und Verbraucher. Auch der wissenschaftliche Beirat des Landwirtschaftsministeriums äußert in seinem neuesten Gutachten, das dieser Zeitung auszugsweise vorliegt, schwere Bedenken gegen die heutige Patentpraxis. „In der Folge entstehen verstärkte rechtlich-ökonomische Risiken sowie verstärkter Druck auf kleine Betriebe in der Landwirtschaft“, heißt es darin. Außerdem sehen die Forscher die Artenvielfalt in Gefahr. Diese Sorge teilt der Bauernverband, der sich für ein Verbot von Patenten auf Tiere und Pflanzen stark macht.

 

 

 

 

 

 

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