Großübung bremst Flugverkehr

Für Air Defender wird der Luftraum gesperrt

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Von Björn Hartmann

27. Mai. 2023 –

Im Juni wird es an mehreren Tagen eng in Deutschlands Luftraum. Das Militär übt im Rahmen von Air Defender 23, die zivile Luftfahrt muss zurückstecken. Wer in den Urlaub nach Mallorca fliegen möchte, zur Sommersonnenwende nach Nordschweden oder an die Mittelmeerstrände der Türkei braucht möglicherweise Geduld. Noch ist kaum abzusehen, wie groß die Folgen sind. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist Air Defender 23?

Hinter dem Begriff Air Defender (englisch für Luft-Verteidigung) verbirgt sich die größte Luftübung des Nordatlantikpaktes (Nato) seit dessen Gründung 1949. Die Streitkräfte proben gemeinsam die Verteidigung. Vom 12. bis 23. Juni werden gut 250 Flugzeuge und um die zehntausend Soldaten verschiedene Einsätze fliegen. Allein die USA schicken mehr als 100 Flugzeuge, gut 70 deutsche Maschinen sind beteiligt. Die Luftwaffe steuert die Übung. Beteiligt sind 20 EU-Staaten, darunter Frankreich, Spanien, Estland, Polen und Rumänien sowie Schweden, dass noch nicht in der Nato ist. Dazu kommen Großbritannien, Norwegen, die Türkei, die USA und Japan, ebenfalls nicht in der Nato.

Warum wird gerade jetzt geübt?

Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine hat Air Defender zunächst nichts zu tun. Geplant wird die Großübung seit etwa vier Jahren. Ursprünglich sollte sie zeigen, dass Deutschland im Rahmen der Nato multinationale fliegende Großverbände aufstellen und steuern kann. Air Defender ist so etwas wie die Abschlussarbeit. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 ist die Übung auch ein Zeichen für die Streitmacht der Nato – und dafür, wie bereit sie ist, ihr Gebiet zu verteidigen. „Die Übung ist ein starkes Signal für eine glaubwürdige Abschreckung“, sagt Günter Katz, Generalleutnant der Luftwaffe und Organisator der Übung.

Was passiert genau?

Geübt werden Manöver in verschiedenen Flughöhen, meist zwischen 2500 und 10.000 Metern. Vorgesehen Luftkämpfe und Luftangriffe auf Bodenziele. Täglich soll es zudem Flüge nach Estland und Rumänien an die Außengrenzen der Nato geben. Es geht auch um das Zusammenspiel verschiedener Nationen im Ernstfall und wie sich solch große Verbände versorgen und steuern lassen. Die Flugzeuge sind im Wesentlichen auf den Militärflugplätzen Hohn bei Rendsburg in Schleswig-Holstein, Wunstorf nordwestlich Hannovers in Niedersachsen und Lechfeld westlich Münchens in Bayern stationiert. Aber auch von anderen Standorten in Deutschland aus starten Maschinen. Einbezogen sind auch Flugplätze in den Niederlanden und Tschechien.

Was bedeutet die Übung für den zivilen Flugverkehr?

Wo Kampfjets tanken und Einsätze üben, dürfen zivile Flugzeuge nicht fliegen. Um möglichst wenig zu stören, sind drei Bereiche im Luftraum festgelegt worden, die das Militär zum Teil ohnehin häufig nutzt. Flugzone Nord betrifft Ostfriesland, Teile des Emslandes und das nördliche Schleswig-Holstein sowie die Nordsee. Ost deckt Mecklenburg-Vorpommern mit Ostsee, einen Teil Berlin-Brandenburgs und ein großes Gebiet zwischen Leipzig und Dresden ab. Süd ist ein Band von Rheinland-Pfalz über Stuttgart bis Augsburg und Kempten im Allgäu. Die drei Zonen werden zu unterschiedlichen Tageszeiten komplett für Lufthansa, Easyjet und andere gesperrt: Nord täglich zwischen 16 und 20 Uhr, Ost zwischen 10 und 14 Uhr, Süd zwischen 13 und 17 Uhr. Alle Zonen bestehen aus einem Sammel- und einem Hauptübungsgebiet. Am Wochenende fliegt das Militär nicht.

Wie viele Flüge fallen aus, weil der Luftraum zeitweise gesperrt ist?

Die europäische Flugsicherung Eurocontrol hat dreimal – zuletzt Anfang Mai mit dem geplanten Flugplan – durchgespielt, wie der zivile Flugverkehr beeinträchtigt wird. Dass Flüge ausfallen, sei nicht zu erwarten, sagt Arndt Schönemann, Chef der Deutschen Flugsicherung. Allerdings können sich Flüge von oder zu deutschen Flughäfen verspäten oder länger unterwegs sein, weil die Sperrzonen umflogen werden müssen. Karsten Stoye von Eurocontrol spricht von im Schnitt zweieinhalb bis drei Minuten Verspätung pro Flug. Die meisten sollen pünktlich sein, bei manchen kann es deutlich länger dauern. Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Luftverkehrsverbands BDL sagt: „Es muss sich niemand Sorgen machen, dass ein Flug nicht geht.“ Die Lufthansa als größte deutsche Fluggesellschaft wollte sich nicht äußern. Der Bund verhandelt mit den Landesflugaufsichten, um die Verkehrszeiten an Flughäfen, die üblicherweise abends schließen, zu verlängern, wie Stefan Schnoor, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium sagt. So könnten verspätete Maschinen noch landen oder starten. Es gehe um Randzeiten, nicht darum, das Nachtflugverbot aufzuheben, sagt Schnoor.

Kann ich jetzt guten Gewissens einen Flug buchen?

Es spricht nichts dagegen, jetzt einen Flug im Zeitraum der Übung zu buchen. Eine Garantie, dass der Flug pünktlich ist, gibt es nicht. Besonders von Verspätung betroffen werden offenbar Frankfurt/Main wegen der großen Menge an Flügen, Hamburg wegen der Nähe zur Nord-Zone und Berlin. Die Flughäfen Berlin und Stuttgart liegen jeweils unter einem Sammelbereich der militärischen Flugzonen. Weil sich die Kampfflugzeuge in großer Höhe bereit halten, sind Starts und Landungen an den Flughäfen weiter möglich. Die Deutsche Flugsicherung, die das zivile Geschehen am Himmel steuert, hat ihr Personal deutlich aufgestockt. Grundsätzlich bleibt ein Problem: Der Luftraum über Deutschland ist ohnehin voll, auf bestimmten Strecken wird es im Zuge von Air Defender noch voller. Auskunft zu konkreten Flügen geben die jeweiligen Fluggesellschaften.

Welche Rechte habe ich als Flugpassagier?

Sollte ein Anschluss wegen einer Verzögerung nicht erreichbar sein oder ein Flug doch ausfallen, ist die Fluggesellschaft verpflichtet, eine Ersatzbeförderung zu stellen – etwa mit einem anderen Flug, mit einem Zug oder Bus. Kompensationszahlungen nach dem europäischen Fluggastrechten sind allerdings unwahrscheinlich: Air Defender gilt als höhere Gewalt. allerdings muss die Fluggesellschaft die Forderung jedes Passagiers einzeln prüfen.

Wie laut wird die Übung? Kehren die Tiefflieger über Deutschland zurück?

Fluglärm wird sich vor allem bei Starts und Landungen nicht vermeiden lassen. Transportmaschinen und Kampfflieger sind in der Regel nicht darauf optimiert, besonders leise zu sein. Im Rahmen von Air Defender sind auch Tiefflüge vorgesehen – 330 Meter oder tausend Fuß über dem Boden, wie Generalleutnant Katz sagte. Das sei ohnehin bundesweit zugelassen. Beschwerden sind beim Luftfahrtamt der Bundeswehr unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 8620730 möglich.

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