Guerilla der Mode
Ethikboom auf dem Textilmarkt - Besuch beim Modelabel Armedangels in Köln
17. Jun. 2008 –
Die Revolution ist im Gange. Sie schreitet voran, sie ist effektiv. Und sie hat einen Namen. Es ist die „social fashion revolution“. Sie wird gemacht, indem man T-Shirts trägt, die die Kölner Firma Armedangels verkauft. Das Logo des Modelabels zeigt eine geflügelte Schönheit mit Pfeil und Bogen. Die bewaffneten Engel residieren im Souterrain eines Kölner Geschäftshauses. Von dort aus organisieren sie ihre „Guerilla“. Jeder kann mitmachen bei dieser Sturmtruppe des guten Gewissens: T-Shirt kaufen, persönliches Foto an Armedangels schicken, gut aussehen, schon steht man auf der Webseite des Unternehmens und transportiert die Botschaft. „Shout it out loud!“
„Gib Deinem T-Shirt eine Stimme“. Das ist das Credo des 25jährigen Martin Höfeler, einem der beiden Kommandanten der Modeguerilla. Zusammen mit seinem Kollegen Anton Jurina hat Höfeler Armedangels vor gut einem Jahr gegründet. Was würde das T-Shirt sagen, wenn es sprechen könnte? „Gerechtigkeit ist möglich“, würde es rufen, „kauf mich, und Du kleidest Dich ohne Ausbeutung“.
Sie ist ganz einfach, die Revolte der Konsumenten: Sie müssen nicht auf Style und Schick verzichten, sie müssen nur ein bisschen nachdenken, was ihnen wirklich wichtig ist. Bloss der günstigste Preis? „Nein, einfach etwas mehr bezahlen“, rät Martin Höfeler, das sei das ganze Geheimnis. 30 Euro kostet ein T-Shirt von Armedangels. Ein Vermögen ist es nicht – aber durchaus das Vierfache dessen, was man bei H&M ausgibt.
Und was macht Armedangels mit dem zusätzlichen Geld? Es fließt in die faire Produktion der Baumwolle in Indien und anderen Ländern. Die Bauern erhalten einen Preis, der wesentlich über dem oft mageren Weltmarktniveau liegt. Damit, so die Hoffnung, kommen die Baumwollpflanzer aus der Armut heraus, können ihre Produktion ausweiten und ihre Kinder zur Schule schicken. Die T-Shirts aus Köln tragen das Fairtrade-Siegel. Dieses verleiht die Organisation Transfair, die sozialverträgliche Produktionsbedingungen garantiert. Transfair ist so etwas wie das Wirtschaftsministerium der Globalisierungskritiker: Globalisierung ja, aber nicht auf Kosten der Entwicklungsländer.
Aber reichen ein paar Euro, um aus einer schlechten Globalisierung eine gute zu machen? Armedangels ist ein Beispiel für die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des strategischen Konsums. Martin Höfeler streicht die Haare nach rechts, die ihm von links tief in die Stirn fallen. „Natürlich gibt es die Gefahr, dass sie dir was erzählen“. Wer erzählt hier wem was?
Die Sache ist die: Transfair garantiert die faire Produktion der Baumwolle und lässt die Fabriken in Indien, China, Malaysia oder Tunesien überprüfen, die in der Produktionskette arbeiten – die Spinnerei, die Färberei, die Näherei. Alle zwei Jahre rücken die Prüfer an. Sie wollen wissen, ob jede einzelne Fabrik ihren Arbeitern auskömmliche Löhne zahlt und den Mindesturlaub gewährt.
„Aber was kann diese Kontrolle garantieren?“, fragt Höfeler skeptisch, was passiert in den zwei Jahren, bis die Prüfer das nächste Mal erscheinen? Möglicherweise sinkt der Lohn schlagartig, wenn die Kontrolleure abgefahren sind, oder die Klimaanlage in den Produktionshallen bleibt einfach ausgeschaltet. „Uns ist klar, dass Fairtrade nicht alles sofort ändern kann“, räumt Dieter Overath ein, der Geschäftsführer von Transfair. Höfelers Geschäftsmodell basiert auf Glaube, Liebe, Hoffnung.
Das ist zwar schon eine ganze Menge im Vergleich zu den miesen Bedingungen der konventionellen Textilindustrie, wo die chinesischen, laotischen oder birmesischen Näherinnen oft nur wenige Cent pro Stunde erhalten. Aber Höfeler reicht das nicht. Er sagt: „Wir streben die völlige Transparenz der Produktionskette an“. Deshalb sucht er sich gerade eine Kooperative in Indien, bei der er sicher sein kann, dass die Baumwolle auch wirklich von dort kommt, und nur dort. Im Herbst diesen Jahres will er hinreisen und sich den Anbau selbst ansehen. Und eigentlich gehen seine Vorstellungen noch weiter. „Das Optimum wäre es, eigene Fabriken zu haben“. Ihm schwebt ein Konzern vor, ein anderer allerdings. H&M mit gutem Gewissen.
Martin Höfeler kommt aus einer Unternehmerfamilie aus dem Bergischen Land. Den Namen der Firma will er nicht verraten. Zu seinen Grundprinzipien gehört es, die Dinge selbst zu schaffen. Er hätte auch seine Familie fragen können, als er Geld brauchte, aber er suchte sich lieber externe Geldgeber. Den Besserwissern aus dem Verwandtenkreis Rede und Antwort stehen? Nein danke. Seine kurze, graukarierte Hose hängt modisch tief, an den Taschen ist sie zerschlissen. 1.000 Euro zahlt er sich im Monat aus. Ende 2008 soll sein 10-Leute-Betrieb schwarze Zahlen schreiben.
Dass der Handel mit sozial- und umweltverträglichen Textilien und Kleidungsstücken zur Zeit schon ein Riesengeschäft wäre, kann man nicht behaupten. Maximal 58.000 Tonnen oder 0,25 Prozent der weltweiten Baumwollproduktion genügen Kriterien des Bioanbaus. Und der Anteil des fair hergestellten Rohstoffs ist noch viel geringer. Insofern ist die Werbung von Armedangels treffender als beabsichtigt: Eine Mini-Guerilla kämpft gegen eine gigantische Mehrheit.
Mit ein paar Euro die Welt verändern? Transfair-Chef Overath ist pessimistisch und optimistisch zugleich. „Die Realität in den Einkaufsstraßen sind die Ramschläden“, sagt er, „wir stehen noch ganz am Anfang“. Und doch hofft er auf den „Durchbruch“. Der aber kann nicht von den kleinen Vorreitern wie Armedangels alleine kommen. Dafür braucht man auch die großen Ketten. „Peek&Cloppenburg und C&A müssen richtig einsteigen“, hofft Overath. Dann könnte es losgehen.
Erste Anzeichen sind aber zu sehen. In einer im Auftrag von Otto erstellten Studie prognostizierte das Hamburger Trend-Büro 2007: „Nach dem Erfolg von Bio-Lebensmitteln ist der nächste große Öko-Boom in der Mode zu erwarten. Dabei wird Fair-Play eine ebenso große Rolle spielen wie das gute und gesunde Tragegefühl“. C&A ist mit Textilien aus Bio-Baumwolle bereits auf dem Markt. 12,5 Millionen Kleidungsstücke will man dieses Jahr verkaufen. Das sind etwa 14 Prozent der Weltproduktion an Bio-Baumwolle. „Wir sehen die Wachstumschancen dieses Marktes aufgrund der erhöhten Sensibilisierung der Konsumenten für Nachhaltigkeit und Umweltschutz sehr positiv“, sagt C&A-Sprecher Knut Brüggemann. Die Einzelhandelsketten Lidl und Kaisers wollen im Herbst 2008 in den Verkauf von Fairtrade-Textilien einsteigen. Anfang Juni strahlte der Homeshopping-Kanal QVC erstmals Verkaufssendungen für Fairtrade-Produkte aus. Und auch die Otto Gruppe bietet unter dem Label „Cotton made in Africa“ Baumwoll-Kleidung an, die ökosozialen Kriterien genügt.
Im Büro von Martin Höfeler hängt die Zeichnung einer Tunika an der Wand. Das Design hat er in Zusammenarbeit mit dem Stylisten der Schauspielerin Angelina Jolie entwickelt. Herstellen will man die Stücke in Afghanistan. „Auf sanfte Art kannst Du etwas bewegen“, lautet der Schriftzug der Tunika. „Wir können die Welt nicht komplett verändern, aber Stück für Stück verbessern“, so Höfeler.