Hartz IV wirkt besser als gedacht

Die große Sozialreform habe zu mehr Jobs geführt, sagt die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Fünf-Jahres-Bilanz der Hartz-Gesetze. Die Armut sei dagegen nicht gewachsen

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Von Hannes Koch

15. Dez. 2009 –

Die Hartz-Reformen markierten eine Zeitenwende. Sie gelten vielen Menschen als Ausgeburt der Ungerechtigkeit. Fälschlicherweise, wie die Bundesagentur für Arbeit am Dienstag erklärte. „Alles in allem wirkt Hartz IV positiv“, sagte Joachim Möller, der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).


Umstritten an den Hartz-Reformen der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Schröder sind vor allem zwei Punkte: Arbeitslosengeld I erhalten die meisten Erwerbslosen nur noch ein Jahr. Wer dann keine Arbeit gefunden hat, bekommt Arbeitslosengeld II, das auf der Höhe der ehemaligen Sozialhilfe liegt. Mit dieser von vielen Bundesbürgern als brutal empfundenen Reform wollte Schröder die Arbeitslosigkeit abbauen.


Hat das funktioniert? Im Prinzip ja, sagte Möller, als er seine Bilanz von fünf Jahren Hartz IV zog. Zwischen 2006 und 2009 sei die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld II von 5,4 auf 4,9 Millionen gesunken. Auch die Zahl der Empfänger von ALG I nahm ab. Parallel stellten die Unternehmen mehr und mehr Beschäftigte ein – und das keineswegs nur als schlecht versicherte Niedriglöhner. Auch die Menge der normalen, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse wuchs.


Diese Entspannung auf dem Arbeitsmarkt habe nicht nur mit dem Wirtschaftsaufschwung seit Mitte der 2000er Jahre zu tun, so Möller. Positiv ausgewirkt habe sich zudem, dass viele Arbeitslose früher einen neuen Job gesucht und gefunden hätten. Nach Einschätzung des IAB wollten sich diese Menschen nicht mit ALG II zufrieden geben. Der neue materielle Druck scheint hier also gewirkt zu haben. „Die Reform ist angekommen“, sagte Möller.


Der höheren Erwerbstätigkeit steht aber auch eine fatale Entwicklung gegenüber: In den 2000er Jahren hat der Niedriglohnsektor zugenommen und die Armut ist gewachsen. Sind auch diese Tendenzen auf die Hartz-Reformen zurückzuführen? Einerseits ja: 15 Prozent der Haushalte, die 2004 noch Arbeitslosenhilfe erhielten, wurde die Unterstützung infolge der verschärften Gesetze gestrichen. Statt des Staates sind seitdem die Angehörigen verpflichtet, ihre erwerbslosen Familienmitglieder zu unterstützen. Und wer Vermögen hatte, musste dies erst einmal aufbrauchen.


Der Satz „Hartz IV ist Armut per Gesetz“, mit dem die Linkspartei groß und die SPD klein geworden ist, sei trotzdem falsch, erklärte IAB-Forscher Möller. Eine zunehmende soziale Spaltung in Deutschland sei zwar zu verzeichnen, aber höchstens mittelbar auf die Sozialreformen zurückzuführen. Die stärkere Polarisierung in Arm und Reich sei ein Ergebnis der Globalisierung und habe bereits eingesetzt, bevor Hartz IV in Kraft gewesen sei, so Möller.


Anette Kramme, die arbeitspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, fühlte sich durch das Urteil des IAB bestätigt. Sie sieht „erhebliche Erfolge der Hartz-Reformen“, allerdings auch die „Aufforderung zu Verbesserungen“. In zu vielen Fällen sei die Betreuung der Arbeitslosen durch die Bundesagentur und andere Institutionen schlecht, bemängelt auch das IAB. Das führe dazu, dass viele Erwerbslose länger auf Arbeitslosengeld II angewiesen seien, als nötig.

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