Hartz will Hartz reformieren

Mit einem fünften Paket will Peter Hartz die Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpfen. Die Agenda 2010 hält der frühere VW-Personalvorstand für weitgehend erfolgreich. Nur bei der Grundsicherung sieht der Ex-Manager Probleme.

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Von Wolfgang Mulke

10. Mai. 2017 –

Braungebrannt und weißhaarig sitzt Peter Hartz vor der Bundespressekonferenz. Sein Name spaltet seit Jahren die Gesellschaft, steht er doch für die nach 2002 eingeführten, umstrittenen Arbeitsmarktreformen. Für die einen ist das landläufig Hartz IV genannte Arbeitslosengeld II „Armut per Gesetz“, wie es bei Demonstrationen auf vielen Transparenten zu lesen stand. Für die anderen ist die Agenda 2010 der Grundstein für die heute geringe Arbeitslosenquote. „Wenn auch mit zeitlicher Verzögerung ist die Zahl der Arbeitslosen halbiert, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzt worden“, sagt er. Die scharfen Angriffe würden halt zum politischen Geschäft gehören.

Ein wenig sieht sich der 75-jährige auch verkannt, wird er nach den Fehlern der vier großen Reformpakete gefragt. „Bei der Ausgestaltung wurde die Kommission von der Politik übersteuert“, erinnert sich Hartz. Denn eine Trennung von Arbeitsagentur und Jobcenter wollte die Expertenrunde ebenso wenig wie die drastische Absenkung der finanziellen Leistungen. Langzeitarbeitslose sollten 511 Euro bekommen. Die Politik gewährte nur rund 340 Euro. Heute, zwölf Jahre nach der Einführung, ist der Regelsatz mit 409 Euro immer noch weit entfernt vom ursprünglichen Vorschlag.

Aus den Augen der Öffentlichkeit ist Hartz damals schnell verschwunden und nur kurz wiederaufgetaucht, aus höchst unrühmlichen Anlass. 2007 verurteilte ihn ein Gericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Hartz hatte im VW-Korruptionsskandal mit Millionenzahlungen an einen Betriebsrat und der Bezahlung von Prostituierten seine Finger im Spiel. Ruinierter kann ein Ruf kaum sein.

Nun sucht Hartz wieder die Aufmerksamkeit der Medien. Denn der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat er sich auch als Rentner verschrieben und nun ein neues Konzept, eine Art Hartz V vorgestellt. Beim ersten Auftritt war das Interesse allerdings ungleich größer. Da übergab er seinen Bericht vor laufenden Kameras im Französischen Dom am feinen Gendarmenmarkt an Kanzler Gerhard Schröder. Heute treibt ihn, wie er sagt, die Würde des Menschen im Kampf gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa an. „Karriere muss ich nicht mehr machen“, betont Hartz.

Gemeinsam mit Fachleuten, finanziert von der Stiftung „Saarländer helfen Saarländern“, wurde ein neues Konzept entwickelt, mit dem junge Menschen und Langzeitarbeitslose zu einem Job oder einer Ausbildung kommen sollen. Begriffe spielen wie damals eine wichtige Rolle, wie früher die Ich-AG. Heute ist es das Konzept der „Minipreneure“, die mit Hilfe der „Talentdiagnostik“ oder dem „Beschäftigungsradar“ Erfolg bringen sollen.

Langzeitarbeitslosen sollen Jobs in Unternehmen, bei gemeinnützigen Organisation oder den Kommunen vermittelt werden. Dafür erhalten sie einen Lohn, der auch unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen darf. Die Differenz zur Untergrenze legt der Staat ohne Bedürfnisprüfung drauf.

Die sogenannten Minipreneure sind Arbeitslosennetzwerke, die sich in kleinen Gruppen selbst helfen sollen und dabei von Ex-Arbeitslosen unterstützt werden. Wer in ein solches Netzwerk eintritt, erhält ohne weitere Prüfung den Mindestlohn, egal was ein späterer Arbeitgeber tatsächlich bezahlen kann. Es gibt keinen Zwang zur Teilnahme. Mit Hilfe verschiedener Verfahren sollen die Talente der Mitglieder herausgefunden und passende Beschäftigungsmöglichkeiten in der Region eruiert werden.

Auch den europaweit vier Millionen arbeitslosen Jugendlichen will Hartz mit dem neuen Konzept zu einer Lehrstelle oder einem Job verhelfen. Damit dürfe sich niemand abfinden, sagt er mit Blick auf die allein in Deutschland betroffenen 250.000 jungen Leute. 30.000 bis 40.000 Euro würde sein Programm pro Kopf kosten, das er als deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt vorschlägt. „Es ist jetzt ein schönes Zeitfenster offen“, wirbt Hartz mit Blick auf den neuen Präsidenten im Nachbarland. Dem Vorgänger Francois Hollande durfte er seine Ideen bereits vorstellen. Nur in Deutschland scheuen Politiker offenkundig den gemeinsamen Auftritt mit Hartz. Dazu sagt er aber lieber nichts.

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