Hendricks fordert von Kommunen notfalls Fahrverbote
Industrie soll bessere Abgaskontrollen selbst bezahlen. Koalition bei Förderung der E-Mobile uneinig.
14. Okt. 2015 –
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will die Luftbelastung in den Ballungsgebieten deutlich vermindern und damit die europäischen Vorgaben erreichen. "Andernfalls drohen hohe Strafzahlungen", warnt die Politikerin in einem neun Punkte umfassenden Katalog für eine bessere Luft in den Städten. Sie hoffe, dass die Maßnahmen gegen die Belastung mit Stickstoffdioxid ausreichen. "Sollte dies nicht gelingen, werden die Kommunen auch Fahrbeschränkungen in Betracht ziehen müssen", heißt es weiter. Deutschland drohen hohe Strafzahlungen an die EU, weil die Luftbelastung bisher nicht ausreichend verringert wurde.
Bereits heute können Kommunen Umweltzonen einrichten, wenn sie die Feinstaubbelastung begrenzen wollen. 80 Städte haben solche Zonen eingerichtet, in denen keine Dreckschleudern mehr unterwegs sein dürfen. Hendricks bietet den Ländern Gespräche über eine Änderung der Bundesimmisionsschutzverordnung an, damit auch eine hohe Stickstoffdioxidbelastung zu Fahrverboten führen kann.
Die 2,4 Millionen Besitzer von manipulierten Dieselmodell von VW müssen den Verlust der grünen Plakette für Fahrten in der Innenstadt wohl nicht befürchten. Denn so streng sind die Regelungen nicht. Sogar mit Katalysatoren nachgerüstete EURO-3 Modelle dürfen die Umweltzonen befahren. Festlegen will sich das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zwar nicht. Doch dürften die manipulierten Volkswagen diese Norm schaffen.
Das Amt untersucht derzeit die von VW eingereichten Unterlagen zur Lösung des Problems. Bei einem Teil der Fahrzeuge reicht demnach eine neue Software aus. Bei anderen müssen auch Teile ausgetauscht werden. Damit soll es erst 2016 losgehen. Ob der Plan aufgehen kann, wird vom KBA geprüft. Diese Analyse laufe derzeit, sagt Sprecher Stephan Immen.
Unabhängig davon will Hendricks europaweit realitätsnahe Abgasmessungen bei Autos. Bislang wurden die Modelle im Labor getestet. In der Praxis liegen die Verbrauchswerte seit vielen Jahren deutlich über den Ergebnissen unter idealen Bedingungen. Die Grundsatzentscheidung für das Messsverfahren "Real Driving Emissions" (RDE) ist gefallen. Die dazugehörigen Grenzwerte müssen allerdings noch festgelegt worden. Hier drängt die Automobilindustrie auf einen gehörigen Spielraum. Die EU-Kommission will dagegen vergleichsweise strenge Normen durchsetzen, die in den kommenden Jahren noch verschärft werden sollen. "Die Industrie muss lernen", schreibt Hendricks. Auf Dauer könne sich keine Branche den Notwendigkeiten des Umweltschutzes entziehen.
Über realistische Messwerte hinaus fordert Hendricks unabhängige Kontrollen bei den Fahrzeugen. Die Überprüfung will die Ministerin Behörden übergeben. "Die Kosten für das Kontrollsystem müssen von den Herstellern getragen werden", erläutert Hendricks. Am Dieselmotor als Antrieb will die Umweltministerin festhalten. Die Technologie sei effizienter als der Ottomotor. Eine Zukunft habe der Diesel aber nur, wenn die Industrie ihn "wirklich sauber" bekomme.
Elektroautos als Alternative zum Verbrennungsmotor hält die Ministerin für einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz und zur Luftqualität in den Städten. "Allerdings sind die Kosten für diese Fahrzeuge noch zu hoch", kritisiert Hendricks. Daher bleibt die Marktentwicklung noch hinter den Erwartungen zurück. Ursprünglich sollten bis zum Ende des Jahrzehnts eine Million E-Mobile auf Deutschlands Straßen rollen. Momentan sind nur wenige Tausend im Einsatz.
Die SPD-Politikerin bringt deshalb einen Kaufzuschuss ins Gespräch, der zusammen mit steuerlichen Vorteilen und der Einführung einer Quote für E-Fahrzeuge der Branche zu Schub verhelfen könnte. Damit steht die Ministerin in der Koalition noch weitgehend allein. In der Arbeitsgruppe, die über die Förderung der Elektromobilität berät und bis Jahresende ein Konzept erarbeiten will, seien Kaufprämien bisher kein Thema gewesen, heißt es aus Regierungskreisen.