Hohe Erwartungen und leere Kassen

Der öffentliche Dienst steht vor einer schwierigen Tarifrunde / Verdi will mehr als nur höhere Löhne

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Von Wolfgang Mulke

17. Dez. 2009 –

Gut zwei Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst können bald auf mehr Geld hoffen. Mitte Januar beginnen die Tarifverhandlungen für Arbeiter, Angestellte sowie die Beamten beim Bund und in den Kommunen. Der Abschluss ist darüber hinaus noch für viele andere Betriebe bedeutsam. Die Kirchen orientieren sich daran ebenso wie die Arbeitsagentur.

 

Leicht wird eine Einigung nicht. „Wir haben eine Tariferhöhung mit einem Gesamtvolumen von fünf Prozent gefordert“, sagt der Verhandlungsführer der  Gewerkschaft Verdi, Achim Meerkamp. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) weist das Ansinnen zurück. „Die kommunalen Haushalte sind extrem belastet“, begründet VKA-Chef Thomas Böhle die Ablehnung. Die Forderung würde etwa 3,7 Milliarden Euro kosten. Die finanzielle Lage der Kommunen ist tatsächlich dramatisch. In diesem Jahr gehen die Einnahmen der Städte und Gemeinden um zehn Prozent zurück, 2010 noch einmal um vier Prozent. Das bestreiten die Gewerkschaften auch gar nicht.

 

Kompliziert wird die Tarifrunde 2010 durch die Vielzahl der Themen. Denn Verdi will keine einheitliche Lohnerhöhung von fünf Prozent durchsetzen, sondern viele kleinere Forderungen. So steht eine soziale Komponente ganz oben auf der Wunschliste. Die unteren Lohngruppen sollen überproportional von dem Abschluss propagieren. Das könnten zum Beispiel über einen Mindestbetrag für alle erreicht werden. Für Azubis und Praktikanten will die Gewerkschaft 100 Euro mehr im Monat. 

 

Ein großer Knackpunkt sind die Regelungen für ältere Beschäftigte. Gerade in den körperlich anspruchsvollen Berufen, etwa in den Krankenhäusern, bei der Müllabfuhr oder im Nahverkehr, halten viele Beschäftigte nicht bis zum regulären Rentenalter durch. Die Bundesregierung will die bestehende Förderung eines schrittweisen Übergangs in den Ruhestand nicht weiter laufen lassen. „Wir fordern eine Verlängerung der Altersteilzeit“, erläutert Meerkamp. Auch dies lehnen die Arbeitgeber rundweg ab, weil es ihnen zu teuer ist.

 

Schließlich zieht Verdi noch mit speziellen Forderungen für einzelne Berufsgruppen in die Gespräche. Die Bereitschaftszeiten beim Krankenhaus- und Pflegepersonal sollen anerkannt und die Überstunden in den Kliniken besser vergütet werden. Für Fahrer und Techniker in den Verkehrsbetrieben will Verdi zusätzliche Urlaubstage herausschlagen, wenn sie dauerhaft nachts arbeiten. Und für die Beschäftigten in den Versorgungsbetrieben verlangt die Gewerkschaft einen satten Lohnzuschlag von fünf Prozent.

 

Zum größten Streitpunkt könnte der Leistungslohn werden, der im öffentlichen Dienst eingeführt wurde. Die Arbeitgeber wollen keine generelle Lohnerhöhung, sondern lediglich mehr für leistungsbezogene Entgelte auf den Tisch legen. Bisher hängt ein Prozent der Entgelte vom individuellen Arbeitspensum ab. Schrittweise wird der Anteil erhöht, bis am Ende etwa ein Monatslohn variabel gezahlt wird. Verdi lehnt das Vorhaben, dem die Gewerkschaft 2006 schon zugestimmt hat, derzeit ab, weil in den Ämtern und Betrieben noch keine vernünftigen Strukturen eingerichtet wurden, die eine Verteilung Leistungszulage ermöglichen kann.

 

In zunächst drei Verhandlungsrunden wollen die Tarifparteien bis Mitte Februar eine Lösung suchen. Meerkamp ist allerdings nicht sehr zuversichtlich. „Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass wir zu einem Ergebnis kommen“, sagt der Tarifexperte. Sollten die Gespräche scheitern, wird ein Schlichter angerufen. Im schlimmsten Fall könnte es nach Ostern wieder einmal zu Streiks im öffentlichen Dienst kommen.

 

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